FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Frank erinnert an eine eine Reihe von spektakulären Fehlprognosen, und leitet daraus ab, wann Voraussagen eher zutreffen können und wann sie gefährlich sind.

29. November 2021. FRANKFURT (pfp Adisory).

"Es werden höchstens 5.000 Fahrzeuge gebaut werden."

"Das Fernsehen wird nach den ersten sechs Monaten am Markt scheitern."

"Das Internet wird nicht mehr Einfluss haben auf die Wirtschaft als das Faxgerät."

"Es besteht keine Chance, dass das iPhone einen nennenswerten Marktanteil erhält."

Liebe Leserinnen, liebe Leser, Sie ahnen es: Diese Zukunftsprognosen habe ich mir nicht ausgedacht. Nein, sie stammen allesamt von bedeutenden Persönlichkeiten, die es besser hätten wissen können.

Dass nicht mehr als 5.000 Autos gebaut werden würden, war um 1895 die Ansicht von Gottlieb Daimler, dem Miterfinder des Verbrenner-Autos. Seine Begründung: Es gäbe ja nicht mehr Chauffeure, um sie zu steuern. "Das Fernsehen wird nach den ersten sechs Monaten am Markt scheitern", glaubte 1946 Darryl F. Zanuck, Mogul des Filmstudios 20th Century Fox. Und weiter: "Die Menschen werden es bald satt haben, jeden Abend in eine Sperrholzkiste zu starren."

Sogar von einem waschechten (späteren) Nobelpreisträger stammt das Zitat, das Internet werde "nicht mehr Einfluss haben auf die Wirtschaft, als das Faxgerät." Nämlich von Paul Krugman, der sich 1998, als das Internet schon seinen Siegeszug angetreten hatte, zu dieser spektakulären Fehlprognose hinreißen ließ. Damit war er übrigens nicht alleine, weitere drei Jahre später gab der Zukunftsforscher Matthias Horx zum Besten: "Das Internet wird kein Massenmedium." Und dass das iPhone keinen nennenswerten Marktanteil erreichen würde, könnte man wohl als Wunschtraum des ehemaligen Microsoft-Chefs Steve Ballmer abtun, hätte er diese Prognose 2007 nicht ernst gemeint.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Es geht mir nicht darum, mich im Nachhinein über diese spektakulären Fehlprognosen lustig zu machen. Stattdessen möchte ich die Frage aufwerfen, wie sich all diese Persönlichkeiten dermaßen täuschen konnten. Schließlich handelt es sich um erfolgreiche Unternehmer, Manager und Politikberater, die ihr jeweiliges Fachgebiet aus dem Effeff kannten. Doch wer sie seinerzeit beim Wort nahm, verpasste einige der lukrativsten Aktienrallys aller Zeiten. Das gilt für Automobilaktien ebenso wie für Technologietitel. Den Mega-Boom der Internetaktien zur Jahrtausendwende (und teilweise bis heute) haben Anleger meiner Generation sogar selbst miterlebt, ebenso wie die rasante Wiederauferstehung von Apple und dessen Aufstieg zum zeitweise wertvollsten Börsenkonzern der Welt, der mit eben jenem iPhone forciert wurde.

Warum lagen diese Experten derart daneben? Weil die wenigen echten Umbrüche und bahnbrechenden technologischen Neuerungen oft nur für nachfolgende Generationen "selbstverständlich" oder "zwangsläufig" erscheinen, nicht aber für Zeitgenossen. Wer hatte denn vor nur einer Generation unsere heutige Welt mit Internet, Smartphones und E-Commerce auf dem Schirm? Selbst für hochintelligente Menschen war eine solche Schöpfung seinerzeit kaum vorherzusehen.

Ein Beispiel? Im zweiten Teil der populären Kinofilm-Reihe "Zurück in die Zukunft" verschlägt es den Protagonisten ins Jahr 2015, das damals Jahrzehnte in der Zukunft lag und deshalb den Alltag so zeigte, wie ihn sich die Drehbuchautoren in den 1980er-Jahren vorstellten. Da fliegen dann eben Autos, Skateboards und Hundeleinen durch die Luft. Ein Kaltgetränk kostet (durch die Inflation hochgepushte) 50 US-Dollar und "Hydratoren" backen kleine Teigrohlinge binnen Sekunden zu Riesenpizzen auf. Der US-amerikanische Arbeitgeber des Protagonisten wird offenbar aus dem fernen Japan gesteuert.

Nicht minder interessant ist, was es im Film von 1989 in der fiktiven Zukunft 2015 alles nicht gibt: kein Internet, keine E-Mails, keine Smartphones, kein E-Commerce! Kommuniziert wird stattdessen über Fax-Geräte, Festnetztelefone und Walkie-Talkies, als Hauptinformationsquelle dienen ganz altbacken gedruckte Zeitungen.

Selbstverständlich wird manches Detail von den Drehbuchautoren zwecks Entertainment überzeichnet und ist auch keinesfalls als ernst gemeinte Vorhersage gedacht. Dennoch lassen sich aus diesem historischen Zukunftsentwurf interessante Schlussfolgerungen ziehen. Die Prognosen waren meist treffsicher, wenn Trends einfach zu extrapolieren sind, wie z. B. das seit Jahrzehnten geltende Mooresche Gesetz über die Leistungsfähigkeit von Mikrochips. Flachbildschirme, Fingerabdruckscanner oder eine an Skype oder Zoom erinnernde Kommunikationsform wurden in "Zurück in die Zukunft 2" denn auch akkurat antizipiert.

Traten dagegen Trendbrüche (oder neudeutsch "Disruptionen") auf, waren die Prognosen oft gefährlich falsch. So hielten die Drehbuchautoren das plötzliche Ende der Kapitalmarkt-Großmachtstellung Japans ab 1990, die Verdrängung traditioneller Medien durch das Internet oder rasant gesunkene Inflationsraten offenbar für unwahrscheinliche Szenarien. Für Anleger in der realen Welt hatten diese Entwicklungen dagegen schwerwiegende Folgen: So war mit japanischen Aktien seit dem Platzen der Bubble-Economy ab 1990 kaum noch Geld zu verdienen, mit Internetaktien dagegen ein Vermögen. Die Inflationsraten wiederum gingen drastisch zurück, mit erheblichen Konsequenzen für Anleiherenditen, Zinsen und Vermögenspreise.

Deshalb glaube ich nicht, dass Sie die Megatrends der Zukunft aus Prognosen von Experten (oder schlimmer noch: "Gurus") ableiten können, ohne diese sehr kritisch zu hinterfragen. Ferner bin ich davon überzeugt, dass eine Anlagestrategie, die starr mit einer eng definierten Zukunftserwartung verknüpft ist, äußerst riskant und selten erfolgversprechend ist. Niemand kann die Zukunft vorhersagen, selbst die intelligentesten und am höchsten bezahlten Koryphäen nicht.

von: Christoph Frank, 29. November 2021, © pfp Advisory

Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

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