FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Viele Aktien aus dem Bereich Erneuerbare Energien haben in diesem Jahr Federn lassen müssen. Zahlreiche marktbelastende Faktoren treffen sie ebenfalls. Dabei erhält die Branche auch in den USA massive Unterstützung.

13. Oktober 2022. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Märkte bleiben schwer angeschlagen, selbst Zukunftsbranchen laufen derzeit nicht. Der globale Erneuerbare Energien-Index MSCI Global Alternative Energy ist seit Jahresanfang bis Ende September um 13 Prozent eingebrochen. Damit steht er zwar besser da als der marktbreite MSCI World, der auf ein Minus von 25 Prozent kommt. Angesichts der Aussichten für die Branche überrascht die Entwicklung aber dennoch. Immerhin enthält der Branchenindex schwerpunktmäßig Solarunternehmen wie Enphase Energy, Solaredge und First Solar sowie Windenergieunternehmen wie Vestas Wind und Orsted.

Milliardenschweres US-Klimapaket

Zum Teil weisen die Unternehmen aus der Branche sogar noch stärkere Verluste aus, wie Marc Richter von der Baader Bank bemerkt. Drei Faktoren lasteten derzeit auf dem Sektor: Da sei der starke Zinsanstieg, der die Finanzierungskosten in die Höhe treibe. "Außerdem haben sich Risikokapitalgeber zurückgezogen." Zusätzlich gebe es wieder Anleihen mit attraktiven Renditen, dreijährige US-Staatsanleihen etwa mit über 4 Prozent. "Da fragen sich Anleger natürlich, warum sie auf einen so angeknacksten Sektor setzen sollen." Das Positive ist Richter zufolge aber, dass sich die Unternehmen auf die neue Situation einstellten. Für die Branche sprächen auch die gewaltigen Unterstützungsprogramme von staatlicher Seite, etwa von der US-Regierung.

Im Rahmen des im August vom US-Senat verabschiedeten Inflation Reduction Acts sollen in den nächsten zehn Jahren 375 Milliarden US-Dollar in klimafreundliche Maßnahmen fließen, etwa die Förderung von Solarzellen, Windturbinen und Elektroautos. Laut dem ehemaligen Vizepräsidenten und engagierten Kämpfer für die Umwelt Al Gore markiert das Programm einen historischen Wendepunkt. "Es stellt die größte Einzelinvestition in Klimalösungen und Umweltgerechtigkeit in der Geschichte der USA dar", twitterte er.

First Solar: Kursverdopplung in kurzer Zeit

Direkter Profiteur ist das US-Solarunternehmen First Solar, wie Walter Vorhauser von Oddo BHF erklärt. "Das Programm dürfte die Nachfrage nach den Dünnschicht-Solarmodulen des Unternehmens massiv anschieben." Die Aktie (US3364331070) kostete vor Bekanntwerden des Programms noch rund 70 Euro, aktuell sind es mit 130 Euro fast doppelt so viel. Aktienanalysten rechnen mit weiteren Kursgewinnen: Etwa hat Goldman Sachs First Solar von "Sell" auf "Buy" hochgestuft und das Kursziel von 60 auf 172 US-Dollar (aktuell 127 US-Dollar) erhöht.

Vestas: Gegenwind für Windturbinenbauer

Viel mehr zu kämpfen hat der dänische Windanlagenbauer Vestas Wind. Der Kurs der Aktie (DK0061539921) hat sich seit dem Hoch Anfang 2021 bei über 40 Euro mehr als halbiert auf aktuell 18,20 Euro. "Vestas leidet unter der allgemeinen Marktschwäche, Lieferproblemen und hohen Rohstoffkosten", berichtet Vorhauser.

Vestas musste für das zweiten Quartal einen Umsatzrückgang gegenüber dem Vorjahr und einen Verlust ausweisen.

Vulcan will Lithium in Deutschland fördern

Auch die Aktien von Vulcan Energy (AU0000066086) haben dieses Jahr nachgegeben, wenn auch nicht so stark. Aktuell liegt der Kurs des australischen Lithiumförderers, der auch eine Niederlassung in Deutschland hat, bei 4,50 Euro. Anfang des Jahres waren es 6,80 Euro. Das könnte aber schon bald anders aussehen. "Vulcan will Lithium im Oberrheingraben fördern, dort gibt es hohe Vorkommen", berichtet Richter. Gewonnen werden soll das Lithium aus Thermalwasser - also ohne größere Eingriffe in die Natur und mit einem praktisch klimaneutralen Verfahren. 2024 soll die Produktion im großen Maßstab anlaufen. "Noch verdient Vulcan Energy kein Geld, doch wurden mit dem Autokonzern Stellantis bereits Lieferverträge über die Abnahme von Lithium für eine Million Elektroautos im Jahr vereinbart."

"Fuelcell nichts für schwache Nerven"

Einen Blick wert ist Richter zufolge auch Fuelcell Energy (US35952H6018), der US-Brennstoffzellenhersteller. "Die Aktie ist aber nichts für schwache Nerven, der Kurs schwankt stark." Zuletzt habe das Unternehmen immer wieder enttäuscht und sei mit seinen Zahlen hinter den Erwartungen geblieben. "Wasserstoff hat aber Zukunft und ist gerade für den Schwertransport und die Schifffahrt sehr interessant. Das könnte sich auch für Fuelcell auf Dauer auszahlen." Aktuell kostet die Aktie 3,05 Euro an der Frankfurter Börse, nach 5 Euro Anfang des Jahres und über 20 Euro Anfang 2021.

"Branche dürfte sich erholen"

Auch wenn es nach Ansicht von Vorhauser kurzfristig noch schwierig bleiben sollte, die mittel- und langfristigen Aussichten für die Branche seien gut. "Erneuerbare Energien sind die Zukunft", erklärt der Händler. Das werde auch gerade hier in Deutschland deutlich. "Sobald die Zinserhöhungen vorbei und verdaut sind, dürfte sich die Branche auch an der Börse erholen."

Langfristig ist die Branchenentwicklung ohnehin nicht schlecht: Auf Zehnjahressicht kommt der MSCI Global Alternative Energy-Index auf eine Rendite von 12,5 Prozent im Jahr, der MSCI World hingegen "nur" auf 8,7 Prozent.

von: Anna-Maria Borse, 13. Oktober 2022, © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)