FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 28. Oktober 2020. FRANKFURT. Der DAX fällt wie ein Stein, deutsche Anleger steigen eher ein. Warum, wer stattdessen verkauft und was das für den Markt bedeutet, weiß Joachim Goldberg.

Nun haben auch die Aktienmärkte, insbesondere der hiesige DAX, auf die dramatische Entwicklung der Covid-19-Infektionszahlen reagiert. Über 1.000 Punkte hat das Börsenbarometer seit unserer vergangenen Befragung zeitweise an Boden verloren, den größten Teil davon in dieser Woche. Dabei verhält es sich nicht so, dass sich nicht schon in der Vorwoche ein besorgniserregender Trend hinsichtlich der Covid-19-Zahlen innerhalb der EU abgezeichnet hätte.

Aber an den Aktienmärkten gab es zu den negativen Meldungen immerhin noch ein positives Gegengewicht, das ein stärkeres Abgleiten der Kurse zunächst verhinderte. Gemeint ist die mittlerweile erloschene Hoffnung der Akteure auf ein US-Stimulus-Programm von rund 2 Billionen Dollar noch vor dem Wahltermin am 3. November. Erst der Einsturz der SAP-Aktie am Montag und die mit einem Male immer häufiger geführten Diskussionen über einen unmittelbar bevorstehenden Lockdown in Deutschland, wie immer der auch aussehen mag, haben indes zu einem deutlichen Abverkauf vor allem bei den Aktien der Eurozone geführt: Seit der Erholungsspitze vom vorvergangenen Montag hat allein der DAX zeitweise über 10 Prozent an Wert verloren.

Mutig in die Schwäche gekauft

Gemessen am DAX-Verlust hätte man also durchaus meinen können, dass heimische Investoren zu diesem Kurseinbruch zu großen Teilen beigetragen hätten. Dass dem allerdings nicht so ist, zeigt das jüngste Ergebnis der Sentiment-Umfrage unter den institutionellen Investoren, bei der der Börse Frankfurt Sentiment-Index sogar um 6 Punkte auf einen Stand von +4 zugelegt hat. Dabei handelt es sich zur Hälfte um Gewinnmitnahmen aus früheren Shortpositionen und Neupositionen gegen den Trend. Die andere Hälfte der neuen Bullen wird von vormals neutral eingestellten Akteuren gestellt. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang: Die Gruppe der Optimisten hat allein während der vergangenen beiden Wochen um rund ein Drittel zugenommen.

Eine ähnliche Entwicklung registrieren wir bei den Privatanlegern, deren Börse Frankfurt Sentiment-Index um 10 Punkte auf einen Stand von -2 ebenfalls gestiegen ist. In diesem Panel wurden ähnlich wie bei den institutionellen Pendants Gewinne aus früheren Short-Positionierungen realisiert und die betreffenden Engagements teilweise direkt um 180 Grad in Long-Positionen gedreht.

Gelernte Sorglosigkeit

Mit der heutigen Erhebung hat sich nun die Stimmungskluft zwischen institutionellen und privaten Investoren deutlich verringert. In beiden Panels lässt sich feststellen, dass man nicht notwendigerweise darauf setzt, dass die Covid-19-Krise bald in den Griff zu bekommen sein würde. Vielmehr dürfte sich der Mut der neuen Optimisten auch aus der Erfahrung heraus speisen, dass DAX-Korrekturen in den Monaten zuvor immer wieder aufgefangen und stärkere Kurseinbrüche damit frühzeitig im Keim erstickt wurden. Man könnte auch von einer gelernten Sorglosigkeit sprechen.

Nun spricht einiges dafür, dass es dieses Mal nicht so kommen wird. Denn wenn der starke DAX-Einbruch höchstwahrscheinlich nicht auf das Konto heimischer Investoren geht, die mit ihren vermutlich nicht groß angelegten Käufen geradezu von der Marktentwicklung überrollt worden sein müssen, muss man davon ausgehen, dass womöglich ausländisches Kapital in größerem Stil die Eurozone verlassen hat. Ein Indiz dafür könnte der ebenfalls schwächliche Eurokurs darstellen. Auch wenn sich mit der heutigen Erhebung kein riesiger Optimismus aufgebaut hat, fällt dieser in der relativen Betrachtung auf Sicht von sechs Monaten mit +16 Punkten jedoch deutlich höher aus und spiegelt damit gleichzeitig eine gestiegene positive Grundüberzeugung wider.

Damit hat sich die bereits in der Vorwoche festgestellte Belastung für den DAX deutlich vergrößert. Denn die Optimisten von heute werden dem DAX nicht allzu lange treu bleiben, wenn dieser nicht alsbald Kursgewinne (vermutlich würden nun rund 12.000 Zähler reichen) liefert. Sollte sich auf der anderen Seite die Abwärtsbewegung des DAX fortsetzen, müsste mancherorts dann noch zusätzlich die Notbremse gezogen werden.

28. Oktober 2020, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)