FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 20. Oktober 2021. FRANKFURT Die Angst scheint verflogen, der Optimismus ist nach oben geschossen. Was den Markt nach Ansicht von Verhaltensökonom Goldberg erheblich belastet.

Dass der DAX seit unserer vergangenen Stimmungserhebung zeitweise um 2,6 Prozent zugelegt hatte, dürfte nicht wenigen Akteuren gut gepasst haben. Zumindest scheint dieser Anstieg Spiegel der seither gesunkenen Ängste vor dem bevorstehenden Zurückfahren der Anleihekäufe seitens der US-Notenbank (Tapering) zu sein. Eine derartige Tendenz zeigt sich auch in der jüngsten Umfrage der Bank of America (BofA) unter internationalen Fondsmanagern, die darin die Tapering-Aktionen nicht länger als eine der drei größten Extremrisiken anführen. Unter diesen rangiert übrigens die Inflationsangst mit großem Abstand auf Platz Eins - 48 Prozent der befragten Vermögensverwalter nannten sie an erster Stelle, während 23 Prozent, also weniger als die Hälfte, die Lage in China als größtes Risiko bezeichneten. Bemerkenswert übrigens: Während netto 6 Prozent der Befragten eine schwächere globale Wirtschaftsentwicklung über die kommenden zwölf Monate erwarten, gaben netto 50 Prozent der Befragten wie im Vormonat an, trotzdem in Aktien global übergewichtet zu sein.

Angst-freie Investoren

Bemerkenswert auch die Stimmungsentwicklung bei den von uns befragten institutionellen Investoren. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist im Vergleich zur Vorwoche nochmals gestiegen, und zwar massiv um 28 Punkte auf einen neuen Stand von +30. Offensichtlich hat bei den Investoren ein großes Umdenken stattgefunden, denn das Bärenlager hat sich um fast 45 Prozent gegenüber dem vergangenen Mittwoch verringert und befindet sich damit auf dem niedrigsten Stand seit dem 3. Februar. Obwohl es seither keinen günstigeren Einstiegskurs mehr gab, haben drei Viertel der ehemaligen Pessimisten ihre Position um 180 Grad gedreht und sich per Saldo direkt auf die Seite der Bullen begeben. Mit anderen Worten: Selbst einige Dauerpessimisten haben das Handtuch geworfen. Offenbar werden die Marktrisiken seit vergangenem Mittwoch völlig anders bewertet - zumindest haben seit Publizierung des Protokolls zur vergangenen Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (vom 21./22. September) noch am selben Tag anscheinend die großen Tapering-Ängste ihren Schrecken verloren.

Aber auch bei den Privatanlegern gab es noch einmal einen Optimismus-Schub. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index dieses Panels ist gegenüber der Vorwoche um 19 Punkte auf einen Stand von +31 gestiegen, dem höchsten Niveau seit dem 25. November 2020. Auch in dieser Gruppe haben Skeptiker in größerer Zahl ihre Haltung aufgegeben - über die Hälfte von ihnen ist direkt zu den Bullen abgewandert.

Gefährlich hoher Optimismus?

Mit der heutigen Erhebung ist die große Stimmungskluft zwischen institutionellen und privaten Investoren aus den Vorwochen geschlossen worden, weil beide Panels nunmehr fast gleichauf liegen. Der starke Stimmungsumschwung, vor allen Dingen bei den institutionellen Investoren, kann nahezu als Kapitulation der Bären gelten. Die Stärke des neu aufgekommenen Optimismus wird vor allen Dingen in der relativen Betrachtungsweise auf sechs Monate deutlich. Denn der so berechnete Wert von rund +40 für dieses Zeitfenster ist so hoch wie noch nie seit Beginn unserer Aufzeichnungen im Jahr 2002.

Regelmäßige Leser unserer Sentiment-Kommentare dürften wissen, dass ein derart hoher Optimismus für den DAX normalerweise mit enormen Belastungen, bis hin zu einem deutlichen Kursrückgang verbunden ist. Zumindest dürften Gewinnmitnahmen aus den derzeitigen Engagements nicht lange auf sich warten lassen, wenn der DAX das derzeitige, vermutlich überwiegend hausgemachte Momentum nicht beibehält. Auf der anderen Seite ist die Nachfrage aus heimischen Quellen durch die jüngste Entwicklung so ausgedünnt, dass man sich normalerweise Sorgen um den DAX machen müsste. Dagegen spricht indes die ansehnliche Kassenquote von 4,7 Prozent der internationalen Investoren, die sich aus der vorgenannten BofA-Umfrage (per 14.10.) ergibt - vergleichsweise viel "Zündstoff" für mögliche Zukäufe aus dem Ausland.

20. Oktober 2021, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)