FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Frank setzt sich mit der Erfolgsgeschichte Warren Buffetts auseinander, freut sich, dass aktives Stock-Picking über einen langen Zeitraum sehr erfolgreich sein kann und weiß, was Anleger von Buffett lernen können.

24. August 2020. FRANKFURT (pfp Advisory). Am 30. August 1930 wurde in Omaha (Nebraska) jener Warren Edward Buffett geboren, der zum legendären "Orakel von Omaha" werden sollte. Buffet wird also in wenigen Tagen 90 Jahre alt. Für viele Investoren ist er Vorbild oder zumindest Kultfigur. Legendär sind seine Auftritte und oft selbstironischen Kommentare während den Berkshire-Hauptversammlungen, dem "Woodstock des Kapitalismus". Seit Jahrzehnten erwirtschaftet der Starinvestor jährliche Renditen von durchschnittlich über 20 Prozent, und das zu einem großen Teil mit Aktien, die er kauft und dann meist sehr lange hält.

Dabei kommt er deutlich sympathischer rüber als viele andere erfolgreiche Investoren, die ihre Renditen oft mit brachialen Methoden erzwingen und dabei eine Schneise der Verwüstung mit vielen Opfern hinterlassen, indem sie Unternehmen zerlegen, filetieren oder mit knallharten Restrukturierungsprogrammen auf Vordermann bringen. Im Vergleich zu diesen "Raubtierkapitalisten" wirkt Buffett wie der nette Opa von nebenan, ein "Investor aus dem Volk", gekleidet mit oft nicht perfekt sitzenden Anzügen von der Stange. Gewissermaßen ist er für viele Anleger das, was ein Uwe Seeler für den Fußballfan ist.

Genau diese Erdverbundenheit macht für viele Anleger auch den Charme eines Warren Buffett aus. Während die Strategien von aktivistischen Investoren oder Corporate Raidern wie Paul Elliott Singer oder Carl Icahn von Privatanlegern nicht nachgeahmt werden können, ist das bei vielen Buffett-Investments anders. Einiges von dem, was der Großinvestor macht, kann Otto Normalanleger einfach kopieren. Denn oft erwirbt Buffett frei handelbare Aktien und Unternehmensanleihen und lässt die Firmenlenker anschließend in Ruhe weiterarbeiten. Deswegen heften sich Legionen an Buffetts Fährte, in der Hoffnung, ähnlich tolle Renditen wie ihr "Meister" einzufahren.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, nicht Buffetts Investments direkt zu kopieren, sondern seinen Anlagestil. Oft wird er als Value-Investor bezeichnet, manchmal sogar als dessen wichtigster Protagonist. Mir erscheint das zu kurz gegriffen. Sein Image als Value-Investor dürfte daher rühren, dass Buffett bei Benjamin Graham studierte, dem "Vater der Fundamentalanalyse" und Inbegriff des Deep-Value-Investings, und weil er sich während Übertreibungsphasen an den Aktienmärkten wie Ende der 1960er und Ende der 1990er-Jahre verbal sehr pointiert gegen hochriskante Growth-Aktien positionierte. 1969 löste er mit dem Hinweis, er könne kaum noch vernünftig bewertete Aktien finden und mit den herrschenden Bedingungen an den Börsen nichts mehr anfangen, sogar seinen ersten Investmentpool Buffett Partnership auf, den er 1956 gegründet hatte und der eine durchschnittliche jährliche Rendite von fast 30 Prozent erzielt hatte.

Ab 1969 widmete er sich hauptsächlich Berkshire Hathaway, das er von einem maroden Textilunternehmen in eine Beteiligungsgesellschaft umbaute und das bis heute als sein Investitionsvehikel dient. Einen Schwerpunkt bilden seit Jahrzehnten Versicherungen, ansonsten ist das Portfolio breit in verschiedene börsennotierte und nicht börsennotierte Unternehmen gestreut. Einige Beteiligungen wie z. B. American Express oder Coca-Cola hält Buffett schon seit Jahrzehnten. In jüngster Zeit hat er sich auch etwas stärker in den Technologiesektor vorgewagt; Apple ist derzeit sogar seine größte Position.

Wer wie Buffett sehr langfristig investiert und alt genug wurde, konnte mit einem Investment in Berkshire Hathaway sehr wohlhabend werden. Investoren, die 1969 das Angebot annahmen, einen Anteil an Buffett Partnership zu rund 43 US-Dollar in eine Aktie von Berkshire Hathaway zu tauschen, besitzen heute rund 311.000 Dollar, also etwa das 7.200-fache. Macht eine Rendite von durchschnittlich 15,7 Prozent pro Jahr und damit natürlich auch weitaus mehr, als bei einem Investment in den Aktienindex S&P 500 oder den Dow Jones Industrial Average herauskam.

Das ist auch einer der Aspekte der Buffett-Story, der mir besonders gut gefällt: Die exorbitanten Renditen passen nicht wirklich zur Theorie effizienter Kapitalmärkte. Nach dieser Theorie dürfte ein Lottogewinn wahrscheinlicher sein als die Existenz eines Warren Buffett. Und hier betrachten wir einen Zeitraum von über 60 Jahren, weshalb die reflexartige Erwiderung vom "Zufallstreffer innerhalb der trotzdem gültigen Theorie" auf mich einen eher hilflosen Eindruck macht.

Buffett ist für mich der lebende Beweis, dass aktives Stock-Picking auch über extrem lange Zeiträume erfolgreich sein kann. Anleger können von ihm viel lernen. Auch deswegen habe ich mich mit keinem anderen Einzelinvestor so intensiv beschäftigt. In meinem Zuhause stehen mehr als ein Dutzend Bücher, die sich nur mit ihm, seinen Statements und seinem Investmentstil beschäftigen. Und ja, ich habe sie alle gelesen, von der ersten bis zur letzten Seite, teilweise mehrmals. Buffett selbst hat relativ wenig über seinen Anlagestil geschrieben, aber aus seinen alljährlichen Essays in den Briefen an die Berkshire-Aktionäre, seinen Portfolioveränderungen und seinen Kommentaren zu Einzelinvestments lassen sich wertvolle Rückschlüsse ziehen.

Für mich ist Buffett mehr ein Quality- als ein Value-Investor. Mehr als auf einen niedrigen Preis achtet er auf die Qualität eines Unternehmens. Er beschäftigt sich intensiv mit seinen Kandidaten, kauft nur, wenn er das Geschäftsmodell versteht, von diesem und von der Ehrlichkeit des Managements überzeugt ist und hält Investments am liebsten "für immer". Fast durchgehend weisen seine Investments hohe Bilanzqualität, eine konservative Finanzstruktur, starke Cashflows, Preissetzungsmacht und langfristige Wachstumsaussichten auf. Der Löwenanteil der am Aktienmarkt gelisteten Firmen erfüllt seine Kriterien nicht, weshalb er oft gar nichts tut, obwohl er seit Jahren auf Milliarden von Dollar an Cash sitzt.

Was können Anleger von Buffett lernen? Wie wichtig Disziplin, Geduld, langer Atem, Stiltreue über Jahrzehnte, sorgfältigste Analyse und eine Vermeidung übermäßiger Risiken (im Sinne von möglichen Verlusten, nicht von Volatilität wie in der Kapitalmarkttheorie) sind. Ein Aspekt erscheint mir für Privatanleger besonders bedeutsam, weil oft unterschätzt: die Wirkungsmacht langer Anlagezeiträume. Buffett konnte deshalb aus einem überschaubaren Betrag ein Riesenvermögen machen und zeitweise zum reichsten Mann der Welt aufsteigen, weil er einerseits gigantische Renditen erzielte, aber eben auch viele Jahrzehnte Zeit dafür hatte. Daraus folgt: Es haben auch all diejenigen gute Chancen, die keine Top-Renditen wie Buffett erzielen, aber früh mit dem Investieren beginnen. Denn sie nutzen den Zinseszinseffekt besonders lange und ausgiebig. Bei "nur" 10% Rendite pro Jahr reicht ein Startkapital von 1.267 Euro, um in sieben Jahrzehnten Millionär zu sein. Um es in 40 Jahren zu schaffen, sind lediglich 22.095 Euro nötig. So können es Privatanleger mit langem Atem und "nur" guten Renditen vielleicht nicht zum reichsten Mann der Welt wie das "Geburtstagskind" Warren Buffett bringen, aber eben doch zu überraschend hohem Wohlstand.

von Christoph Frank, 24. August 2020, © pfp Advisory

Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 20 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds. Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)