FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 28. September 2022. FRANKFURT. Trotz fallender Kurse gehen eine ganze Reihe an mittelfristig orientierten Anlegern long. Kein gutes Zeichen nach Ansicht von Joachim Goldberg.

Für die Teilnehmer an den Finanzmärkten dürfte seit unserer vergangenen Stimmungserhebung einmal mehr klar geworden sein, dass die US-Notenbank bei der Inflationsentwicklung keinen Spaß versteht. Zumindest machte die Fed deutlich, dass sie die Leitzinsen zur Inflationsbekämpfung weiter nach oben treiben wird. Und im gleichen Zuge sind die meisten Akteure wohl zu dem Schluss gekommen, dass sich an der falkenhaften geldpolitischen Linie der Notenbank - auch unter Inkaufnahme einer drohenden Rezession - so bald nichts ändern wird. Mit Konsequenzen für die Märkte. Nicht nur weil andere Notenbanken nachgezogen und die Anleiherenditen dies- und jenseits des Atlantiks während der vergangenen Tage massiv angezogen haben. Auch die Aktienmärkte sind ein weiteres Mal kräftig unter die Räder geraten, so dass etwa der hiesige DAX fast ohne größere Verschnaufpause im Wochenvergleich noch einmal rund 5 Prozent seines Wertes verlor und sogar ein neues Jahrestief markierte.

Negativen Nachrichten zum Trotz

Indes: All die negativen Nachrichten für die Aktienmärkte, zu denen auch diejenigen hinsichtlich der Nord Stream-Pipelines gehörten, scheinen bei den von uns befragten mittelfristig orientierten institutionellen Investoren keine Spuren von Panik hinterlassen zu haben. Zumindest ist unser Börse Frankfurt Sentiment-Index deutlich um 21 Punkte auf einen neuen Stand von +3 gestiegen - es handelt sich um den ersten positiven Wert seit zwei Monaten. Betrachtet man die Verschiebungen zwischen den einzelnen Gruppen, wird deutlich, dass die zuletzt deutlich in der Mehrheit befindlichen Pessimisten Kasse gemacht haben. Dabei haben 13 Prozent aller Befragten das Bärenlager verlassen und sich mit rund 60 Prozent mehrheitlich sogar auf die Bullenseite gewagt.

Eine ähnliche Entwicklung stellen wir bei den Privatanlegern fest, deren Stimmung sich ebenfalls verbessert hat. Der Anstieg beim Börse Frankfurt Sentiment-Index in diesem Panel ist zwar nicht ganz so stark, aber mit einem Plus von 14 Punkten auf einen neuen Stand von -5 durchaus als bemerkenswert zu bezeichnen. Auch hier ist die Gruppe der Pessimisten mit 8 Prozentpunkten deutlich geschrumpft, wobei sich drei Viertel dieser ehemaligen Bären direkt zu den Bullen gesellt und ihre Positionen somit um 180 Grad gedreht haben.

Gefährlicher Mut

Unter dem Strich bleibt die positive Entwicklung des Sentiments sowohl bei den institutionellen als auch bei den Privatanlegern bemerkenswert. In einem Umfeld, das mit negativen Nachrichten und Kommentaren geradezu gepflastert ist, entsteht offenbar ein verstärkter Wille, sich als Käufer in die Schwäche zu betätigen. Viel spricht dafür, dass vorwiegend preisliche Motive für diesen Stimmungswandel ausschlaggebend gewesen sein dürften - das bisherige Jahrestief von 12.391 könnte hierbei einen wichtigen Referenzpunkt für die dahinterstehenden Aktienkäufe dargestellt haben. Zumal der DAX ähnlich niedrige Niveaus in diesem Jahr bereits dreimal bis zu seinem endgültigen Durchbruch getestet hatte.

Allerdings ist es bedenklich, dass sich der DAX trotz dieser Käufe letztlich nicht erholen konnte. Tatsächlich stellt der heutige Optimismus einiger Akteure in diesem ökonomisch und geopolitisch ausgesprochen ungünstigen Umfeld eine zusätzliche Belastung für das Börsenbarometer dar. Zumindest dürften die neuen Bullen von heute kaum auf eine Trendwende, sondern allenfalls auf eine Erholungsrallye gesetzt haben. Auf jeden Fall ist die Zahl derjenigen, die im Falle weiterer Kursrückgänge womöglich die Notbremse in Form von Aktienverkäufen ziehen könnten, deutlich gestiegen.

28. September 2022, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)