FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Kleinste Hinweise auf niedrigere Zinsen werden mit großer Begeisterung aufgenommen - zu großer vielleicht? Langläufer sind jedenfalls jetzt gefragt: Die hohen Zinsen will so mancher für sich verzurren.

26. Januar 2024. Auch im Anleihehandel stand die Woche ganz im Zeichen der EZB-Sitzung vom gestrigen Donnerstag. "Vorher war Abwarten angesagt", berichtet Arthur Brunner von der ICF Bank. Immerhin erhoffte man sich Antworten auf die Frage: Ab wann und in welchem Tempo senken die Notenbanken die Leitzinsen? "Die Zinssenkungserwartungen sind beiderseits des Atlantiks ausgeprägt", stellt Tim Oechsner von der Steubing AG fest. Er sieht daher latent das Risiko einer Enttäuschung.

Wie erwartet, ließ die EZB die Leitzinsen unverändert. EZB-Chefin Christine Lagarde bekräftigte zudem ihre ?"ußerung vom Davoser Weltwirtschaftsforum, dass die Leitzinsen ab Sommer fallen könnten. Das war aber nicht alles: "Lagarde hat zum ersten Mal festgestellt, dass sich das Lohnwachstum zuletzt stabilisiert hat", stellt Anleiheanalyst Marco Wagner von der Commerzbank fest. Die Märkte hätten dies als "Trippelschritt in Richtung Zinssenkung" interpretiert.

Die Renditen deutscher Bundesanleihen, die vorab gestiegen waren, fielen daraufhin. Am Freitagmorgen rentieren zehnjährigen Bundesanleihen mit 2,24 Prozent nach 2,35 Prozent im Hoch diese Woche und 2,30 Prozent vergangenen Freitag. "Die Euphorie war groß, aber vielleicht auch etwas übertrieben", kommentiert Brunner.

USA: Inflation muss laut Fed nachhaltig auf 2 Prozent fallen

In den USA steht der nächste Zinsentscheid kommende Woche an. Nach Einschätzung von Analyst Bernd Weidenstein von der Commerzbank wird die Fed keinen Anlass sehen, ihre Leitzinsen zu verändern. "Die Fed wird versuchen, Hoffnungen auf rasche Zinssenkungen keine Nahrung zu geben." Zuerst wolle man sich sicher sein, dass die Inflation tatsächlich nachhaltig auf das 2-Prozent-Ziel falle.

Grenke, Siemens, VW & Co gefragt

Im Handel mit Unternehmensanleihen dreht sich das meiste weiter um bekannte Namen. Gregor Daniel, der für die Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank Anleihen handelt, sieht unverändert viel Kaufinteresse an der Anfang 2025 fälligen Grenke-Anleihe, die aktuell 4,46 Prozent abwirft (). Gut nachgefragt sind laut Oechsner Bonds von Siemens mit Laufzeit bis 2028 (), Volkswagen Leasing bis 2031 (), Bayer bis 2033 () und Fresenius bis 2030 (). Gut an kämen auch die Mitte des Monats emittierten Papiere von Eon mit 3,375 Prozent bis 2031 () und Schaeffler mit 4,75 Prozent bis 2029 ().

Zinsen langfristig festmachen

"Auch längere Laufzeiten von zehn Jahren und mehr sind beliebt", erklärt Oechsner, sogar die neue Nachranganleihe vom Energiekonzern EnBW mit 5,25 Prozent und Laufzeit von 60 Jahren (). Die Mindestanlagesumme beträgt allerdings 100.000 Euro. Ebenfalls gefragt ist laut Daniel etwas "Exotisches": eine 2030 fällige Nullkuponanleihe der EBRD in türkischen Lira, die aktuell bei 7,26 Prozent gehandelt wird (). "Da lockt wohl so manchen die Rendite." Die liegt momentan bei über 47 Prozent.

Sehr gute Umsätze meldet Brunner darüber hinaus für die kürzlich aufgestockte Anleihe der Münchner Beteiligungsgesellschaft Mutares (), die mittlerweile zu 104,7 Prozent gehandelt wird. Käufe sieht der Händler auch für Papiere von LR Global Holding (), ein Direktvertriebsunternehmen für Gesundheits- und Schönheitsprodukte. Bislang nur auf begrenztes Kaufinteresse stößt Daniel zufolge die neue Anleihe des Autovermieters Sixt. "Der Kupon ist vielen wohl zu niedrig." Der Bond bietet 3,75 Prozent im Jahr und ist 2029 fällig ().

Höhere Kurse bei niedrigen Umsätzen sieht Brunner zudem für die SV Werder Bremen-Anleihe () nach Einstieg neuer Investoren. "Außerdem hat sich SoWiTec () nach Umstrukturierung und Aussetzung vom Handel gut entwickelt." Der Bond wird nach zuvor rund 55 Prozent jetzt wieder zu 84 Prozent gehandelt.

Schlote-Kurs bricht ein

Es gibt aber auch schlechte Nachrichten aus dem Mittelstandssegment: Automobilzulieferer Schlote will die im November dieses Jahres fällige Anleihe mit Kupon von 6,75 Prozent () umstrukturieren. "Der Nennwert soll halbiert, die Zinszahlung bis zum Rückzahlungstermin ausgesetzt und die Laufzeit um neun Jahre verlängert werden", stellt Brunner fest. Der Kurs fiel daraufhin von rund 55 Prozent auf nur noch 6,58 Prozent. Schlote hat zu einer Abstimmung ohne Versammlung zwischen 9. und 11. Februar aufgerufen. Nach Ansicht der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger SdK ist das Restrukturierungskonzept nicht zustimmungsfähig, sie rät Betroffenen, sich zu organisieren.

Von Anna-Maria Borse, 26. Januar 2024 © Deutsche Börse AG

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