FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 16. Dezember 2022. Frankfurt (Börse Frankfurt). Mit so klaren Worten seitens EZB-Chefin Christine Lagarde hatte kaum jemand gerechnet. "Die Zinserhöhungen waren im Rahmen der Erwartungen, mit den nachfolgenden Kommentaren wurden die Marktteilnehmer aber auf dem falschen Fuß erwischt", erklärt Arthur Brunner von der ICF Bank. "Das war eine harte Landung."

Dabei war der am gestrigen Donnerstag vorgenommen EZB-Zinsschritt kleiner als die bisherigen: Um 50 Basispunkte ging es nach oben, nach zwei "Jumbo"-Zinsschritten von jeweils 75 Basispunkten. Der entscheidende Einlagensatz liegt jetzt bei 2 Prozent. Doch Lagarde machte deutlich, dass die EZB ihre Leitzinsen weiter "signifikant" auf ein "ausreichend restriktives" Niveau anheben werde. Und sie kündigte das schrittweise Zurückfahren der Anleihebestände bereits ab März 2023 an. "Bisher hatte sie das Wort ‚signifikant‘ nicht im Kommuniqué verwendet", bemerkt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Noch kein Zurücklehnen der Notenbanken

Es war jedenfalls ein "Super Thursday", denn neben der EZB hoben noch andere Notenbanken die Leitzinsen an, und zwar die Schweizerische Nationalbank, die Norges Bank in Norwegen und die Bank of England. Die US-Notenbank hatte am Tag davor die Leitzinsen um 50 Basispunkte erhöht auf die Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent, nach vier großen Zinsschritten von jeweils 75 Basispunkten. Gleichzeitig stellt sie weitere Zinsschritte auf über 5 Prozent in Aussicht. "Fed-Chef Powell hat klar signalisiert, dass sich die Notenbank trotz der zuletzt recht günstig ausgefallenen Inflationsdaten noch nicht zurücklehnen wird", kommentiert Krämer.

"Lagarde setzte noch einen drauf"

"Der Markt zeigte sich enttäuscht und wechselte in den Risk-off-Modus", erklärt Tim Oechsner von der Steubing AG. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen zog kräftig an und liegt am Freitagmorgen bei 2,2 Prozent, am Mittwoch waren es noch 1,85 Prozent. Die Rendite zweijähriger Anleihen liegt mit 2,49 weiter über der von zehnjährigen Anleihen. "Das gilt als Vorbote einer Rezession."

Der Deutschen Bank zufolge könnten schon die Äußerungen des US-Notenbankchefs am Mittwoch in den Lehrbüchern unter dem Stichpunkt "maximale Falkenhaftigkeit" einen Ehrenplatz finden. "EZB-Präsidentin Lagarde setzte aber noch einen drauf."

Unternehmensanleihen: "Renditen deutlich attraktiver"

"Anleger agieren weiterhin vorsichtig", berichtet Oechsner. Nur in ausgesuchten Titeln und Anleihen habe es Käufe gegeben. Generell ist das Interesse an Unternehmensanleihen aber durchaus gestiegen, wie Rainer Petz von Oddo BHF feststellt: "Die Renditen sind eben wieder deutlich attraktiver."

Zumindest stabil zeigen sich Lufthansa-Anleihen, wie Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank berichtet, etwa die bis 2075 laufende Hybridanleihe (XS1271836600). "Lufthansa hat eine weiterhin starke Nachfrage nach Flugreisen gemeldet und die Prognose für das Gesamtjahr 2022 angehoben." Käufe beobachtet der Händler auch für eine Anleihe des Energieversorgers EnBW mit Kupon von 3,625 Prozent und Fälligkeit 2026 (XS2558395351). "Hier kommen alte Kauflimits zur Ausführung." Die Rendite liegt beim aktuellen Kurs bei 3,34 Prozent. Käufe und Verkäufe sieht Daniel für den Bond des Wiener Immobilienentwicklers UBM Development mit 2,75 Prozent bis 2025 (AT0000A2AX04).

Katjes Greenfood mit vielen Fans

Brunner meldet gute Umsätze für dieses Woche. "Anleger versuchen, sich in den schwächeren Märkten Renditen zu sichern." Beliebt sind dem Händler zufolge Volkswagen Leasing-Anleihen mit 1,375 Prozent bis 2025 (XS1642590480). "Da gibt es diese Woche sehr viele Käufe." Gute Umsätze meldet er für Bonds der Münchner Beteiligungsgesellschaft Mutares (NO0010872864) und auch für die neue Anleihe des finnischen Finanzdienstleisters Multitude (vormals Ferratum) mit Laufzeit bis 2025 und Kupon von aktuell 9,581 Prozent (NO0012702549). Ebenfalls weiter gefragt: die noch recht neue Anleihe von Katjes Greenfood, die 8 Prozent bis 2027 (DE000A30V3F1) bietet. Sie wird mittlerweile zu 107 Prozent gehandelt.

Die Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig hat unterdessen das öffentliche Angebot zur Neuzeichnung und zum Umtausch für die neue, bis 2027 laufende 7,75 Prozent-Anleihe (DE000A30VUP4) abgeschlossen. Vom maximalen Emissionsvolumen von 15 Millionen Euro wurden im ersten Schritt insgesamt 7 Millionen Euro platziert, davon 5,1 Millionen Euro aus dem Umtauschangebot für die Halter der bis 2023 laufenden 7,25 Prozent-Anleihe (DE000A2GSNF5). "Es kam zu keiner nennenswerten Kursbewegung", stellt Oechsner fest.

von: Anna-Maria Borse, 16. Dezember 2022, © Deutsche Börse AG

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