Frankfurt (Reuters) - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich aus Sicht von Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch mit ihrem neuen Zinsausblick zu stark im voraus festgelegt.

Er habe sich deshalb nicht wohl gefühlt mit dem Ausblick, der als Versprechen verstanden worden sei, für lange Zeit die Zinsen nicht zu erhöhen, sagte Wunsch am Freitag dem Sender CNBC. "Wir sprechen vielleicht von fünf oder sechs Jahren, wenn wir uns die Markterwartungen anschauen", sagte er. "Ich habe mich nicht wohl dabei gefühlt, eine Festlegung für eine so lange Zeit einzugehen."

Die EZB hatte am Donnerstag ihren Zinsausblick an ihr neues Inflationsziel von zwei Prozent angepasst. Sie will nun ihre Leitzinsen solange auf dem aktuellen oder einem noch tieferen Niveau halten, bis zu sehen ist, dass die Inflation zwei Prozent erreicht und dann auch erst einmal auf diesem Niveau bleibt. Nicht alle Währungshüter haben diese Änderung mitgetragen. Wunsch gehörte im EZB-Rat zu den Kritikern.

"Meine Ablehnung sollte nicht dramatisiert werden", sagte Wunsch. Er hätte sich eine Ausstiegsklausel im Ausblick gewünscht, um der EZB die Möglichkeit zu geben, die Zinsen zu erhöhen, wenn sie mit bestimmten Risiken konfrontiert sei. Dabei nannte er die Gefahr der fiskalischen Dominanz. Darunter wird ein Zustand verstanden, in dem die Haushaltspolitik der Staaten die Oberhand gewinnt und die Geldpolitik nur noch deren Interessen berücksichtigt.

WUNSCH FÜR ENDE DER PEPP-KÄUFE IM MÄRZ 2022

In einem separaten Telefon-Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters sagte Wunsch zudem, die EZB solle ihre Notfall-Anleihenkäufe des PEPP-Programms wie geplant im März 2022 beenden, sollten keine unvorherbaren Ereignisse den Konjunkturausblick durchkreuzen. Die Debatte darüber solle bereits auf der Zinssitzung am 9. September starten. Eine endgültige Entscheidung müsse dann aber noch nicht getroffen werden. "Inhalt ist wichtiger als Timing. Wir möchten uns Zeit lassen, eine fruchtbare Diskussion zu führen."

Das auf 1,85 Billionen Euro angelegte Programm, das die EZB zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 aufgelegt hatte, ist eines ihrer wichtigsten Instrumente im Kampf gegen die ökonomischen Pandemiefolgen. Wunsch zufolge müssten bei Beendigung des Programms im März aber Klippeneffekte vermieden werden: "Die Mehrheit denkt, dass wir beim Übergang flexibel sein müssen." Viele Volkswirte erwarten, dass die EZB dann Anleihenkäufe im Rahmen eines älteren Kaufprogramms wieder aufstockt oder in einer anderen Form sich den Handlungsspielraum bewahrt, die mit vielen Notfall-Maßnahmen der EZB verbunden sind.