KARLSRUHE (AFP)--Am Dienstag geht es in Karlsruhe um die Befugnisse der Europäischen Union: Dann verkündet das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung über zwei Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die deutsche Zustimmung zum europäischen Corona-Hilfsfonds richten. Mit diesem Fonds sollen die Folgen der Pandemie bewältigt werden. Dazu kann die EU-Kommission hunderte Milliarden Euro aufnehmen und diese als Zuschüsse oder Kredite an die Mitgliedsstaaten weitergeben. (Az. 2 BvR 547/21 und 2 BvR 798/21)

Eine der Verfassungsbeschwerden wurde von mehr als 2.200 Beschwerdeführern des sogenannten Bündnisses Bürgerwille um den ehemaligen AfD-Chef Bernd Lucke eingereicht, die andere von dem Unternehmer Heinrich Weiss. Sie argumentieren, dass die EU ihre Kompetenzen überschritten habe, und befürchten den Einstieg in eine gemeinschaftliche Haftung - so dass Deutschland möglicherweise die Schulden anderer Länder übernehmen müsste. Ihrer Meinung nach hätte der Bundestag dem Paket nicht zustimmen dürfen.

Dieses sieht vor, dass die EU-Kommission 750 Milliarden Euro - zu Preisen von 2018 - am Kapitalmarkt aufnimmt. Das Geld wird teils als Darlehen, teils als Zuschüsse an die Mitgliedsstaaten vergeben, die damit unter anderem Maßnahmen für Digitalisierung und Klimaschutz finanzieren. Die Kredite sollen von den Ländern zwischen 2028 und 2058 zurückgezahlt werden.

In der mündlichen Verhandlung im Juli hörte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts Vertreterinnen und Vertreter von Beschwerdeführern, Bundesregierung und Bundestag an, außerdem einige Sachverständige. Die Bundesregierung verteidigte das Paket: Es sei zu Beginn der Pandemie notwendig geworden, die europäischen Volkswirtschaften zu stabilisieren. Das Vorgehen sei rechtens gewesen und bewege sich im Rahmen der europäischen Verträge, argumentierte sie.

Das Gericht muss nun unter anderem beurteilen, ob sich aus den EU-Verträgen ein Verschuldungsverbot für die EU ableiten lässt und ob die Zweckbindung der Gelder zur Bekämpfung der Pandemiefolgen von den Verträgen gedeckt ist. Zudem will es prüfen, ob sich aus der Zustimmung zu dem Hilfspaket "dauerhafte Mechanismen" begründen, die auf eine Haftungsübernahme für die Entscheidungen anderer Staaten hinauslaufen könnten, kündigte Vizegerichtspräsidentin Doris König im Juli an.

Im Jahr 2021 hatte das Gericht den Weg für das Paket von deutscher Seite frei gemacht, als es im April einen Eilantrag des Bündnisses ablehnte. Zuvor hatte es die Unterzeichnung des Zustimmungsgesetzes kurzfristig bis zu seiner Eilentscheidung gestoppt. Nun steht die Entscheidung in der Hauptsache an.

DJG/hab

(END) Dow Jones Newswires

December 02, 2022 03:30 ET (08:30 GMT)