Kommentare und Einschätzungen zu den Plänen der EU-Kommission, das Klimaziel einer CO2-Reduzierung bis 2030 von 55 Prozent zu erreichen:


Verband: Klimapaket wird Mittelstand besonders hart treffen 

Aus Sicht des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) wird das europäische Klimapaket zur Belastungsprobe für den deutschen Mittelstand. "Die heute vorgestellten Pläne von Kommissionspräsidentin (Ursula) von der Leyen werden den unternehmerischen Mittelstand in Deutschland als Herz der klimaneutralen Wirtschaftstransformation besonders hart treffen", erklärte BVMW-Bundesgeschäftsführer Markus Jerger. Bereits unter den geltenden Flottengrenzwerten beim Emissionsausstoß für die Autoindustrie wären bis 2030 bis zu 215.000 Arbeitsplätze im Automobilsektor von der tiefgreifenden Transformation zur E-Mobilität betroffen. "Das Verbot von Neuzulassungen für Verbrennungsmotoren ab 2035 wird diesen Druck weiter erhöhen. Davon werden vor allem die vielen mittelständischen Zulieferbetriebe betroffen sein. Das europäische Klimapaket wird so zur Belastungsprobe für den deutschen Mittelstand", warnte Jerger. Auch gehe der vorgesehene Schutz vor Abwanderung energieintensiver Industrie nicht weit genug.


RWE: Paket stellt Mammutaufgabe dar und bietet zugleich enorme Chancen 

Das Maßnahmenpaket der EU-Kommission setzt aus Sicht des Energiekonzerns RWE wichtige Impulse für die Energieversorgung. Es eröffne "neue Möglichkeiten, den Ausbau der Erneuerbaren Energien deutlich zu beschleunigen und die Wasserstoffwirtschaft in Fahrt zu bringen", sagte RWE-Vorstandschef Markus Krebber. Die Kommission stärke das europäische Emissionshandelssystem (ETS) weiter und mache es so dauerhaft zum marktbasierten Leitinstrument der EU-Klimapolitik, teilte der Konzern mit. Klug justiert würden damit CO2-Mindestpreise und Carbon Price Floors überflüssig. Das Paket mit seinen vielfältigen Regelungen stelle eine Mammutaufgabe dar und bietet zugleich enorme Chancen.


Naturschutzring: Vorschläge reichen nicht aus 

Die von der EU-Kommission vorgelegten Klimaschutzpläne reichen aus Sicht des Deutschen Naturschutzrings (DNR) nicht aus, um die im Pariser Abkommen vereinbarte Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu erreichen. Das Maßnahmenpaket sei in seinen Grundzügen begrüßenswert und ein Startschuss für die Verhandlungen. Aber die Kommission hätte ehrgeizigere Ziele und Maßnahmen vorschlagen sollen und sei bei der Ausgestaltung zu zaghaft geblieben. "Mit den Kommissionsvorschlägen liegen konkrete Instrumente auf dem Tisch, eine Verkehrswende und ein Kohleausstieg bis 2030 rücken näher. Dennoch wird die EU-Kommission ihrem eigenen Anspruch noch nicht gerecht, den Green Deal zum großen europäischen Erneuerungs- und Modernisierungsprojekt zu machen", monierte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. "Damit wir das Pariser Abkommen umsetzen und die dringend notwendige Transformation noch in diesem Jahrzehnt schaffen können, muss die Politik einen deutlich entschiedeneren Rahmen setzen."


Kommunale Unternehmen: Vorschläge weisen in richtige Richtung 

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hat die Klimaschutzvorschläge der Europäischen Kommission als Paket und Einzelmaßnahmen gelobt, die in die richtige Richtung weisen. "Die Kommission gibt die Leitplanken für einen sehr viel ambitionierteren Klimaschutz vor, der auch notwendig ist. Ich bin optimistisch, dass wir in wenigen Jahren rückblickend sagen können, das war ein gelungener Start und Instrumentenmix, der Europa auf das richtige Gleis gesetzt und eine spürbare Zeitenwende für uns alle eingeläutet hat", erklärte VKU-Präsident Michael Ebling. "Die konsequente Ausweitung des CO2-Handels als Taktgeber für mehr Klimaschutz und damit mehr Dekarbonisierung ist richtig." Verbesserungspotenzial sehen die Stadtwerke allerdings insbesondere im Wärmebereich und bei der Elektromobilität. Hier würden Spielräume für nationale und regionale Lösungen unnötig eingeschränkt.


VDA: EU-Plan ist falscher Weg zum richtigen Ziel 

Die deutsche Automobilindustrie hat das Klimaschutzpaket der Europäischen Kommission kritisiert. Das Paket verfolge zwar die richtigen Ziele, schlage dabei aber an wichtigen Stellen den falschen Weg ein und sei für viele Zulieferer kaum zu schaffen. "Bei den ehrgeizigen Zielen zur Minderung der CO2-Emissionen von Fahrzeugen bleibt unberücksichtigt, dass wichtige Voraussetzungen für die erfolgreiche Transformation mit den vorgeschlagenen Instrumenten nicht geschaffen werden", erklärte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. Mit dem für 2035 vorgesehenen Flottengrenzwert von 0 Gramm Emissionsausstoß schlage die EU-Kommission faktisch ein Verbot von Verbrennungsmotoren vor - das gelte auch für Hybride und für leichte Nutzfahrzeuge. "Das ist innovationsfeindlich und das Gegenteil von technologieoffen", so Müller. "Die dadurch geforderte Beschleunigung der Transformation ist vor allem für viele Zulieferer kaum zu schaffen." Die Auswirkungen für die Arbeitsplätze in diesem Bereich werden erheblich sein. Es fehlt an einer Abwägung, die alle Aspekte der ökonomischen und sozialen Auswirkungen einbezieht.


Scheuer warnt vor europäischen Insellösungen 

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat vor negativen wirtschaftlichen Folgen bei einem europäischen Alleingang im Klimaschutz gewarnt. "Alle Insellösungen europäischer Art würden dann zu Wettbewerbsnachteilen führen, die gerade für einen Exportweltmeister und Logistikweltmeister Deutschland äußerst schwierig werden", erklärte Scheuer zu den Klimaschutzvorschlägen der Europäischen Kommission. Er bewerte sie als eine riesige Herausforderung. "Man muss sich immer vergegenwärtigen: Das Eine ist fordern und festlegen, aber man muss auch noch erreichen und umsetzen." Deutschland werde in der Verkehrstechnik technologieoffen bleiben bei den Antrieben und Kraftstoffen. Deutschland müsse nun mit diesem Paket Innovations-, Technik- und Klimaweltmeister werden. "Das ist schon eine Aufgabe", so Scheuer.


Luftverkehrswirtschaft fordert Nachbesserungen 

Die deutsche Luftverkehrswirtschaft hat Nachbesserungen im Klimaschutzpaket der Europäischen Kommission gefordert. Nötig sei ein wirksamer Carbon-Leakage-Schutz, der die Verlagerung in andere Länder mit weniger strengen Emissionsauflagen verhindert. "Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind nicht mit einem hinreichenden Carbon-Leakage-Schutz versehen und drohen deshalb, klimapolitisch ins Leere zu laufen. Sie schaden europäischen Fluggesellschaften und Flughäfen im Wettbewerb und führen wesentlich zu einer Verlagerung von Emissionen zu Wettbewerbern aus Drittstaaten", erklärte Peter Gerber, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Dort, wo Maßnahmen einseitig Verkehre verteuerten, bei denen die europäischen Unternehmen im Wettbewerb mit Anbietern aus Drittstaaten stünden, brauche es dringend einen Ausgleich dieses Wettbewerbsnachteils, um ökonomische und ökologische Verwerfungen im Markt zu verhindern.


VDMA sieht Licht und Schatten im Paket der EU 

Die deutschen Maschinenbauer halten eine globale Vorreiterrolle Europas im Klimaschutz für möglich, sehen aber dennoch Risiken in den Vorschlägen der EU-Kommission. Dem Maschinen- und Anlagenbau komme als Anbieter technischer Lösung eine herausragende Bedeutung auf dem Weg zum Erreichen der Klimaziele zu, erklärte der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Die von der Kommission vorgeschlagene Stärkung des Emissionshandels sowie der Einbau einer CO2-Preiskomponente in die Energiebesteuerungsrichtlinie gingen dabei in die richtige Richtung. Kritisch sieht der Verband allerdings Vorschläge zur Einführung eines Kohlenstoff-Grenzausgleichsmechanismus. "Es gibt große Zweifel an der Vereinbarkeit des vorgeschlagenen Grenzausgleichsmechanismus mit dem WTO-Recht. Handelspolitische Vergeltungsmaßnahmen anderer Staaten werden die Folge sein und können die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Maschinenbaus empfindlich beeinträchtigen", so der VDMA.


Chemische Industrie fordert Schutz vor unfairem Wettbewerb 

Unternehmen müssten angesichts der massiven Mehrkosten für den Klimaschutz der chemischen Industrie zufolge einen wirksamen Schutz vor unfairem Wettbewerb erhalten. Sonst drohe statt einer klimaneutralen europäischen Industrie ein klimaneutrales Europa ohne Industrie. Das weltweit einzigartige Ziel, die Treibhausgase innerhalb von neun Jahren um 55 Prozent zu reduzieren, berge unabwägbare Risiken. Zwar stelle man sich den Herausforderungen. "Wir stehen damit aber vor der wohl größten Transformation der Wirtschaft seit Beginn der Industrialisierung. Es reicht nicht, nur Vorbild für die Welt zu sein. Es muss auch darum gehen, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit für Europa zu sichern", betonte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup. Sorge bereite ihm, das die bewährten Entlastungsregeln im EU-Emissionshandel stark zurückgefahren und stattdessen CO2-Grenzabgaben eingeführt werden sollen. Diese werden die exportorientierte chemisch-pharmazeutische Industrie im internationalen Wettbewerb aber nicht wirksam schützen. "Ein EU-Laborversuch mit Grenzsteuern ist gefährlich und schon jetzt zum Scheitern verurteilt", so Entrup.

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July 14, 2021 12:10 ET (16:10 GMT)