Sehr zuversichtlich in die Zukunft blickt Holger Schmieding, Chefvolkswirt von Berenberg. In seinem aktuellen Ausblick auf Wirtschaft und Kapitalmärkte 2021 rechnet er mit einer kräftigen Erholung der Weltwirtschaften von der Corona-Pandemie. Diese Erholung habe dabei die Chance, so stark zu werden, dass durchaus eine ganze Dekade der "Goldenen Zwanziger" möglich erscheine - zumindest solange die Politik dem nicht in die Quere kommen.

Für das laufende Jahr rechnet Schmieding spätestens ab dem zweiten Halbjahr mit einer kräftigen Erholung der Wirtschaft. Nach dem Winter wird es "wirklich besser", sagt er. Ein starker Wiederaufschwung werde sich quer durch die westliche Welt ziehen, "der uns in der Stärke eher überraschen wird".


   Konsum könnte alle überraschen 

Als Treibstoff sieht er klar die Auflösung der unfreiwilligen Sparrücklagen, die weit jenseits der normalen Sparquote lägen. Allein die zusätzlichen Rücklagen der ersten drei Quartale 2020 in den USA machten rund 9,6 Prozent der normalen Haushaltsausgaben aus. In Deutschland trieben sie den Konsum um rund 4,9 Prozent, wenn sie innerhalb eines Jahres ausgegeben würden. Und seitens der Industrie sei bereits aktuell zu beobachten, dass sie mit der Produktion hinterherhinke.

Dazu dürften sich die Rahmenbedingungen mit dem neuen US-Präsidenten verbessern. Die von Donald Trump geschürte Unsicherheit in der Handelspolitik habe einen negativen Einfluss auf die Investitionstätigkeit gehabt. Rund 1 Prozent des Wirtschaftswachstums könnte diese Zurückhaltung gekostet haben. Mit Biden bestehe nun die Chance, dass wieder Ruhe einkehre.


   Geldpolitik bleib locker trotz Erholung 

Die Geldpolitik werde dabei weiter - zumindest noch das ganze Jahr 2021 über - weiter locker bleiben. Im Jahresverlauf dürfte sicherlich mehrfach die Frage aufkommen, was die Notenbanken angesichts einer Wiederbelebung der Wirtschaft unternehmen. Denn auch die Inflation dürfte bereits ihren Tiefpunkt gesehen haben, der Preisdruck nach oben werde zunehmen, CO2-Abgaben und Rückkehr zur normalen Mehrwertsteuer die Preise treiben.

Jedoch dürften die großen Notenbanken EZB und Fed nicht riskieren wollen, die erste Erholung der Weltwirtschaft nach der Pandemie abzuwürgen. "Das Thema geldpolitische Wende wird kommen - aber nicht dieses Jahr", unterstreicht Schmieding.

Mit Blick auf die Dekade sieht er in der Überwindung der Krise einen fruchtbaren Boden für Neustarts gelegt. Krisen seien die Mutter der Innovation, vor allem die schnellere Einführung neuer Technologien dürfte treiben. Gleichzeitig werde sich aber durch den Wandel der Demografie der Mangel an Facharbeitern erhöhen und damit für Lohndruck sorgen. Auch China sei nicht mehr "billig" und werde daher nicht mehr zur Disinflation beitragen. Für Volkswirtschaften seien steigende Lohnquoten aber gut. Daher bestehe die Chance, durch Vollbeschäftigung und steigende Löhne auch für die Entschärfung von Verteilungskonflikten zu sorgen.

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January 18, 2021 08:32 ET (13:32 GMT)