Zürich (awp) - Der Schweizer Aktienmarkt legt am Dienstag nach einem sehr freundlichen Wochenstart erst mal eine Verschnaufpause ein. Am Montag hatte der US-Wahlsieg von Joe Biden sowie der mögliche Durchbruch bei einem Corona-Impfstoff den Schweizer Leitindex deutlich angeschoben. "Am raschesten verwelken die Vorschusslorbeeren", erklärte ein Marktbeobachter die aus seiner Sicht wenig überraschende Gegenbewegung.

Experten warnen gleichzeitig: Trotz der momentan positiven Aussichten würden noch "einige schwierige wirtschaftliche Monate kommen". Darauf sollten die Anleger gefasst sein. Anders als in Europa hatten die Aktienmärkte in Asien und Australien zuvor eher gelassen auf die Impfstoff-Nachrichten reagiert. Auch die US-Märkte hatten zum Schluss einen Teil ihrer Gewinne wieder abgegeben.

Der SMI sinkt gegen 11 Uhr um 0,35 Prozent auf 10'381,77 Punkte. Der SLI, der die 30 wichtigsten Aktien umfasst, büsst 0,44 Prozent auf 1'621,83 und der umfassende SPI 0,57 Prozent auf 12'860,92 Zähler ein. Im SLI kommen auf 12 Gewinner 18 Verlierer.

Händler sprechen von einer Mischung aus Gewinnmitnahmen und allgemeiner Rotation, die mit den Nachrichten zu einem Impfstoff-Kandidaten ausgelöst wurden. Jetzt, da ein Impfstoff in Griffweite scheine, konzentrierten sich Investoren auf Unternehmen, die am schlechtesten abgeschnitten und folglich das grösste Aufwärtspotenzial hätten.

Dazu zählen etwa Banken: Credit Suisse ziehen um 3,3 und UBS um 2,0 Prozent an. Auch Julius Bär gewinnen 2,1 Prozent. Die Papiere zeigen damit keinerlei Anzeichen von Ermüdungserscheinungen. Am Vortag hatten Finanztitel einen ihrer besten Tage in diesem Jahr erlebt.

Versicherer legen zwischen 1,2 und 3,1 Prozent zu. Die jüngsten Zwischenberichte von Swiss Re und Co. hätten wohl belegt, dass die Dividendenausschüttungen bei der Assekuranz nicht gefährdet seien, heisst es am Markt.

Tech-Aktien haben im Vergleich zu anderen Sektoren bereits viele gute Nachrichten eingepreist. Das macht sie laut Händlern kurzfristig weniger attraktiv. Logitech etwa büssen 5,8 Prozent ein - der Hersteller von Computerzubehör hatte stark vom Home-Office-Trend profitiert. Auch AMS verlieren 5,4 Prozent.

Zu den grössten Vortagesgewinnern hatten Richemont (-0,4%) und Swatch (-1,3%) gehört. Gewinne werden auch bei Gesundheitswerten wie Sonova (-3,8%) und Straumann (-4,1%) eingestrichen. Auch Lonza - die Überflieger des Jahres - büssen 3,7 Prozent ein.

Gesucht sind hingegen zyklische Papiere wie LafargeHolcim (+4,0%) oder Adecco (+3,0%). Erste profitieren laut Händlern von einer Exane-Hochstufung.

SGS (+2,4%) hat eine grössere Akquisition kommuniziert sowie Angaben zum Geschäftsverlauf gemacht. Analysten sprechen von "erfreulichen" Nachrichten.

Clariant (+1,2%) rücken via eine "indirekte News" in den Fokus der Anleger. Denn der Katalysator-Konkurrent W.R. Grace hat ein Übernahmeangebot von 40 North erhalten. Das wecke wieder Übernahmephantasien rund um den laut einem Analysten "wahrscheinlichsten Fusions- oder Übernahmekandidaten" im europäischen Chemiesektor.

Die defensiven Schwergewichte Roche (-1,3%), Nestlé (-0,7%) und Novartis (+0,2%) tendieren uneinheitlich.

Am breiten Markt sind ebenfalls Papiere mit Nachholbedarf gesucht, zum Beispiel Luftfahrtaktien wie Dufry (+1,3%) und Flughafen Zürich (+2,2%). Beide Aktien waren am Montag mit zweistelligen Kursgewinnen aus dem Handel gegangen.

Mit Siegfried (-0,3%) und Bachem (-3,5%) wird bei zwei weiteren Corona-Gewinnern Geld vom Tisch genommen. Conzzeta ziehen dagegen um deutliche 7,5 Prozent an. Der sich in einer Transformationsphase befindende Mischkonzern kann mit dem Verkauf der Chemiesparte eine weitere Devestition abhaken.

ra/rw