FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach der steilen Abwärtsbewegung zur Wochenmitte hat sich der deutsche Aktienmarkt am Donnerstag auf Erholungskurs begeben und fester geschlossen. Die Schlagzeilen beherrschten dabei Einzelwerte wie Wirecard, Bayer und Lufthansa.

Der Dax pendelte über weite Strecken des Handels um seinen Vortagesschlusskurs und legte im späten Handel etwas zu. Letztlich gewann der deutsche Leitindex 0,69 Prozent auf 12 177,87 Punkte. Am Vortag hatte der Dax fast dreieinhalb Prozent an Wert eingebüßt. Der MDax der mittelgroßen Börsenwerte stieg am Donnerstag um 1,39 Prozent auf 25 879,25 Punkte.

Der EuroStoxx 50 endete 0,71 Prozent im Plus bei 3218,91 Punkten. Der Cac 40 in Paris legte um rund 1,0 Prozent zu, der FTSE 100 in London stieg um rund 0,4 Prozent. Der Dow Jones Industrial stagnierte zum europäischen Handelsschluss auf Vortagesniveau.

Unter den Einzelwerten schossen - was die prozentuale Veränderung angeht - wieder einmal die Aktien von Wirecard den Vogel ab. Nachdem die Papiere in den vergangenen sieben Tagen bereits rund neunzig Prozent ihres Wertes verloren hatten, rauschte ihr Kurs am Donnerstag bis auf 2,50 Euro in die Tiefe. Letztlich sackten sie um mehr als 71 Prozent auf 3,53 Euro ab. Der in einen Milliardenskandal verstrickte Zahlungsdienstleister steht am Abgrund. Das Unternehmen meldete wegen Überschuldung und drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz an.

Die Bilanzprüfer von EY gehen von schwerer Kriminalität in quasi weltumspannendem Maßstab aus. "Es gibt deutliche Hinweise, dass es sich um einen umfassenden Betrug handelt, an dem mehrere Parteien rund um die Welt und in verschiedenen Institutionen mit gezielter Täuschungsabsicht beteiligt waren", erklärte EY in Stuttgart. "Der Fall Wirecard hat der Aktienkultur in Deutschland einen echten Bärendienst erwiesen", merkte Comdirect-Experte Andreas Lipkow kritisch an. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und die deutschen Aufsichtsbehörden hätten auf ganzer Linie versagt.

Die Wirecard-Titel werden aber wohl nicht vor September, wenn die reguläre Indexüberprüfung durch die Deutsche Börse stattfindet, aus dem Dax fliegen. Nur im Falle einer Abwicklung oder falls der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen wird, muss ein Unternehmen laut den Regeln der Deutschen Börse aus einem Auswahlindex "umgehend" herausgenommen werden. Als Wirecard-Nachfolger im Dax im September gelten der Online-Essenslieferant Delivery Hero und der Aromen- und Duftstoffhersteller Symrise. Beide Aktien erreichten Rekordwerte und gewannen zwischen 4,5 und 4,8 Prozent.

Die Lufthansa-Anteilsscheine rückten als MDax-Spitzenreiter um mehr als 7 Prozent vor. Bei der Lufthansa läuft inzwischen die außerordentliche Hauptversammlung, auf der die Aktionäre darüber entscheiden, ob sie den Staat als Anteilseigner einsteigen lassen wollen oder nicht. Damit fest verbunden ist das neun Milliarden Euro schwere Rettungspaket, das in den Wochen zuvor zwischen Frankfurt, Berlin und Brüssel ausgehandelt worden ist. Die Wettbewerbshüter der EU-Kommission haben das Rettungspaket der Bundesregierung inzwischen genehmigt.

Auch Lufthansa-Großaktionär Heinz Hermann Thiele, der sich zuvor lange gegen den Einstieg des Staates zu den Bedingungen stark gemacht hatte, signalisierte mittlerweile Zustimmung zum Rettungspaket. Damit könnte eine Insolvenz der Fluggesellschaft noch vermieden werden.

Der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer gab am Vorabend milliardenschwere Vergleiche zu den rechtlichen Problemen in den USA bekannt. Dabei geht es vor allem um angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat. Bei Analysten kamen die jüngsten Nachrichten gut an. Michael Leuchten von der UBS sieht Bayer-Aktien nun wieder als investierbare Anlage. Die Anleger nutzten jedoch die guten Nachrichten zum Verkauf der Papiere nach dem Kurszuwachs der zurückliegenden Wochen. Entsprechend verloren Bayer als zweitschwächster Dax-Wert 2,9 Prozent.

Besser als erwartet ausgefallene Quartalszahlen des US-Klebstoffherstellers H.B. Fuller wirkten positiv auf die Papiere von Henkel. Die im Dax notierten Vorzüge verteuerten sich um 3,2 Prozent. Henkel stellt ebenfalls Klebstoffe her. Das Geschäft stand zuletzt unter Druck.

Der Euro gab etwas nach. Die Gemeinschaftswährung kostete zuletzt 1,1219 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Nachmittag auf 1,1200 Dollar festgesetzt.

Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von minus 0,43 Prozent am Vortag auf minus 0,47 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,16 Prozent auf 145,14 Punkte. Der Bund-Future gewann 0,25 Prozent auf 176,54 Punkte./edh/zb