PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Die Kurserholung an Europas Aktienmärkten ist nur von kurzer Dauer gewesen: Bereits am Mittwoch ging es erneut abwärts. Die Befürchtungen von Marktexperten, die die Vortagesgewinne vor allem als Gegenreaktion in der zuletzt schwachen Marktlage interpretiert hatten, bestätigten sich.

Wie Analyst Jochen Stanzl von CMC Markets erläuterte, heizen die steigenden Energiepreise und die Lieferengpässe die Inflation an und setzen die Notenbanken unter Druck, früher den geldpolitischen Kurswechsel einzuleiten. Schwache Daten aus der Industrie Deutschlands und Spaniens und enttäuschende Einzelhandelsumsätze aus der Eurozone, die im Tagesverlauf veröffentlicht wurden, befeuerten zudem die Sorge vor einer gleichzeitigen Abkühlung des Konjunkturaufschwungs.

Der EuroStoxx 50 rutschte im Handelsverlauf zeitweise deutlich unter 4000 Punkte. Am Nachmittag entspannte sich die Situation dann allmählich etwas, so dass der Leitindex der Eurozone letztlich mit einem Abschlag von 1,30 Prozent auf 4012,65 Punkte schloss. In Paris rutschte der Cac 40 um 1,26 Prozent auf 6493,12 Zähler ab. Der FTSE 100 sank in London um 1,15 Prozent auf 6995,87 Punkte.

Ein wesentlicher Grund für die Verringerung der Verluste an den Börsen war, dass die Öl- und Gaspreise nach einem zunächst weiteren kräftigen Anstieg drehten und nun wieder fallen. Einer der Hauptgründe dürfte sein, dass Russland die Erdgaslieferungen nach Europa erhöhen will. Zur Stabilisierung der Energiemärkte sollen nun "Rekordmengen" an Gas geliefert werden. Das würde indirekt auch den Bedarf an Rohöl dämpfen.

Zwar gaben sämtliche Branchen Europas zur Wochenmitte nach, doch am stabilsten unter ihnen zeigte sich der Sektor der Banken und der Getränke- und Lebensmittelhersteller. Die Aussicht auf steigende Zinsen etwa stützt derzeit die Aktien von Finanzinstituten, da ihre Erträge durch höhere Zinseinnahmen steigen. Der Stoxx 600 Europa Banks, der am Vortag auf ein Hoch seit Februar 2020 gestiegen war, gab um moderate 0,2 Prozent nach. Insbesondere stachen hier nun die Aktien der britischen Großbank HSBC mit einem Plus von 3,4 Prozent hervor. Die Aktie der britischen Bank sei selbst in einem stabil bleibenden Zinsumfeld günstig bewertet, schrieb UBS-Analyst Jason Napier und sprach nun eine Kaufempfehlung aus.

Im Lebensmittelsektor, der ebenfalls um nur moderate 0,2 Prozent nachgab, zählten die Anteile von Pernod Ricard zu den Favoriten mit plus 1,5 Prozent. Anleger hoffen nach positiven Analystenkommentaren wohl auf starke Quartalszahlen. Imperial Brands dagegen verloren nach bestätigten Jahreszielen 3,8 Prozent. Der Tabakkonzern habe bei seinem Zwischenbericht wenig Überraschendes präsentiert, hieß es von Branchenkennern. Die Aktien der Brauereigruppe AB Inbev gaben um 1,7 Prozent nach. Sie litten darunter, dass gleich mehrere Analystenhäuser ihre Kursziele gesenkt haben. Die Jefferies-Experten etwa rechnen nach einem starken ersten Halbjahr wegen neuer Restriktionen in China für das dritte Quartal mit einem Ergebnisrückgang für den Konzern.

Die Papiere der Supermarktkette Tesco stiegen nach einem besser als erwartet verlaufenen Geschäftshalbjahr, einer angehobenen Jahresprognose und der Aussicht auf Aktienrückkäufe in London um 6,0 Prozent. Tui zeigten sich am Londoner Aktienmarkt stabil nach der Ankündigung einer Kapitalerhöhung. Der Reisekonzern will sich durch die Ausgabe neuer Aktien im Wert von etwas mehr als einer Milliarde Euro weiteren finanziellen Spielraum schaffen./ck/ngu