LUXEMBURG/BERLIN (dpa-AFX) - Mehr Schutz für Insekten, Gewässer, Böden und Nutztiere, sagen die einen - einfach nur Stillstand in der europäischen Landwirtschaft, sagen die anderen. Die heftig umstrittene Reform der milliardenschweren EU-Agrarpolitik geht nun auf die Zielgerade, nachdem die 27 Mitgliedsstaaten sich mühsam auf einen Kompromiss geeinigt haben. Doch was bisher auf dem Tisch liegt, stößt bei Umweltschützern am Mittwoch auf heftige Kritik - Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU), die die Verhandlungen geleitet hatte, spricht dagegen von einem "Systemwechsel".

Nach der Einigung im Ministerrat will nun Ende der Woche das EU-Parlament seine Position endgültig festzurren, dann müssen sich Rat und Parlament noch einig werden. Innerhalb der kommenden Monate soll die Reform komplett stehen.

Im Kern sehen die Pläne vor, dass die sogenannten Direktzahlungen an die Bauern - die den größten Teil der Agrarsubventionen ausmachen - künftig an Umweltauflagen gebunden sind. "Keine Leistung mehr ohne Gegenleistung", sagte Klöckner, das mache den "Systemwechsel" aus, denn das sei erstmals so. Es gehe dabei um Landschaftsschutz, Fruchtfolgen oder den Schutz von Gewässern. Zudem soll nun mindestens ein Fünftel der Direktzahlungen an sogenannte Eco-Schemes gekoppelt werden: Zusätzliche Öko-Aufgaben, die Landwirte erfüllen können, um mehr Geld zu erhalten - das halten Umweltverbände für viel zu wenig.

Viele Details, etwa wie die Eco-Schemes in den einzelnen Ländern aussehen, stehen noch nicht fest - die Staaten dürften da Spielräume haben. Mehrere Länder hätten die Pflicht-Einführung dieses Modells zunächst komplett abgelehnt, betonte Klöckner, die den Kompromiss gegen Kritik verteidigte. Nun könnten Landwirte, die für Umwelt, Klima und Tierschutz mehr tun als zwingend vorgeschrieben, dafür auch entlohnt werden. In Deutschland werde so zusätzlich eine Milliarde Euro im Agrarbudget für die Eco-Schemes vorgesehen, sagte Klöckner.

Was genau Bauern dafür tun müssen, ist noch nicht klar. Es dürften vor allem Maßnahmen für den Artenschutz sein, zum Beispiel sogenannte Blühstreifen mit Blumen am Rand der Felder, um Insekten Nahrung zu bieten. Wer so etwas macht, kann dann Geld dafür beantragen - ob Biobauer oder konventionell arbeitender Landwirt.

Für die nächsten zwei Jahre gilt erst mal eine Übergangsphase, so dass neue Regeln erst ab 2023 in Kraft treten - wenn die Reform dann komplett steht. Das Budget für die Agrarpolitik ist der größte Posten im EU-Haushalt: Bis 2027 haben die EU-Staaten dafür rund 387 Milliarden Euro vorgesehen.

Bereits am späten Dienstabend hatte auch das Europaparlament Eckpfeiler seiner Position für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) festgelegt - und fordert für die Öko-Regelungen einen Anteil von mindestens 30 Prozent der Direktzahlungen. Die endgültige Abstimmung ist für Ende der Woche geplant, dann können die Verhandlungen zwischen Parlament und den EU-Staaten beginnen.

Das Urteil der Umweltverbände fiel am Mittwoch unisono vernichtend aus. "Die vorliegenden Ergebnisse sind herber Rückschlag für den Umwelt-, Natur- und Tierschutz", sagte etwa Florian Schöne vom Dachverband Deutscher Naturschutzring (DNR). Auch die Grünen übten Kritik.

Besonders bitter stößt Umweltschützern eine zweijährige sogenannte "Lernphase" für die Öko-Regelungen auf. Sie soll sicherstellen, dass Geld aus diesen Umweltprogrammen für die EU-Staaten nicht verloren geht, falls das dafür vorgesehene Budget nicht ausgeschöpft wird - sprich, falls ihre Landwirte nicht genug Umwelt-Maßnahmen anmelden. Auch dass Umweltschutz, der über eine weitere Förder-Säule entlohnt wird, auf die Eco-Schemes angerechnet werden soll, verärgert Kritiker. Klöckner betonte, dass andernfalls gar kein Kompromiss gelungen wäre.

Der Deutsche Bauernverband teilte dagegen mit, das Ergebnis sei "ein notwendiger und letztendlich auch tragbarer europäischer Kompromiss". Kritik von Naturschützern, die ein "Weiter so" beklagten, entbehre "jeder Grundlage". Wichtig seien nun verbindliche europäische Vorgaben, damit die Umsetzung nicht zu einem Flickenteppich führe.

Dagegen sieht Bundesumweltministerin Svenja Schulze angesichts des Ergebnisses nun die Nationalstaaten in der Verantwortung. "Die dringend notwendige Ausrichtung der Agrarförderung an Umwelt-, Naturschutz und Tierschutzstandards muss auf nationaler Ebene stattfinden", sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch. Das Mindestbudget für Umwelt und Naturschutz sei "nur dann ein Gewinn, wenn die Mitgliedstaaten ehrgeizige Maßnahmen ergreifen".

Die Regierungen müssen künftig nationale Strategiepläne erstellen, die von der EU-Kommission zu genehmigen sind. Darin sollen sie darstellen, wie sie eine Reihe vorgegebener Ziele erreichen wollen - etwa die Erhaltung der Natur, den Klimaschutz und die Sicherung der Lebensmittelqualität./wim/DP/jha