TOKIO/HONGKONG/SHANGHAI/MUMBAI (dpa-AFX) - Die Hoffnung auf eine fortgesetzte globale Wirtschaftserholung dürfte die asiatischen Aktienmärkte im neuen Jahr alles in allem stützen. Allerdings könnten ein erneutes Hochkochen der Corona-Pandemie durch die Omikron-Variante starken Kursgewinnen ebenso im Weg stehen wie eine rasche Straffung der US-Geldpolitik.

Zuversichtlich äußert sich Mike Kerley, Portfoliomanager bei Janus Henderson Investors: "Wir sind für die Perspektiven des asiatisch-pazifischen Raums vorsichtig optimistisch." Sowohl die Wirtschaftsleistung als auch die Gewinne der Unternehmen lägen deutlich über den Vor-Pandemie-Niveaus, und obwohl sich das Wachstum gegenüber den hohen Werten von 2021 abschwächen werde, sei es doch immer noch stabil und vorhersehbarer als in anderen Regionen.

Etwas skeptischer ist Jean-Marie Mercadal von OFI Asset Management. Der Chef-Anlagestratege der französischen Fondsgesellschaft erwartet für die asiatischen Aktienmärkte insgesamt lediglich bescheidende Renditen. Für ihn wird 2022 vor dem Hintergrund der beschleunigten Normalisierung der Geldpolitik durch die US-Notenbank (Fed), der hohen Inflation und der Aufwertung des US-Dollar ein herausforderndes Jahr für die Börsen der Region.

Die US-Notenbank wird im Januar den Ausstieg aus den konjunkturstützenden Wertpapierkäufen beschleunigen und könnte zudem ihre Leitzinsen rascher anheben als zuletzt erwartet. Experten zufolge haben die geldpolitischen Maßnahmen der Fed zur Bekämpfung der hohen Inflation das Zeug, den Aufschwung der asiatischen Volkswirtschaften zu gefährden und internationale Anlagegelder abzuziehen, was die Aktienmärkte der Region entsprechend unter Druck setzen würde.

So könnten überraschend schnell steigende Leitzinsen die USA als Anlageziel attraktiver machen. Zugleich sehen Fachleute die Gefahr, dass der US-Dollar in Folge der Zinserhöhungen zu stark an Wert gewinnen könnte. Dies könnte perspektivisch vor allem für Schwellenländer ein Problem werden, die hohe Dollar-Schulden haben.

Während sich die Zentralbanken in den USA, in Europa und auch in vielen Ländern Asiens weiterhin mit mehr oder weniger restriktiven Maßnahmen gegen die starken Preissteigerungen stemmen dürften, setzt die chinesische Regierung 2022 wohl vor allem auf eine Ankurbelung der heimischen Wirtschaft. "In China besteht die Aussicht auf eine gezielte Lockerung oder Stimulierung, mit der das Land seine selbstverschuldete Konjunkturabschwächung in den Griff bekommen will", schrieb Peter Monson vom japanischen Vermögensverwalter Nikko Asset Management.

Norbert Frey, Leiter Fondsmanagement der Fürst Fugger Privatbank, erinnerte daran, dass nicht nur die Neuorganisation des Internet- und E-Commerce-Sektors, sondern auch die Probleme des Immobiliensektors Chinas Aktienmarkt 2021 belastet hätten. Ein negativer Ausblick sei daher zwar einfach zu begründen, er sei aber auch voreilig: "Wir dürfen die Selbstheilungskräfte der chinesischen Wirtschaft nicht unterschätzen." Im Gegensatz zu vielen westlichen Märkten, die von einigen wenigen Playern dominiert würden, sei der chinesische Markt nach wie vor stark fragmentiert. Effiziente und gut geführte Unternehmen könnten strukturell wachsen und ihre Marktposition festigen.

Mit Blick auf den Tokioter Aktienmarkt setzt Gian Plebani, Portfoliomanager bei UBS Asset Management, auf eine starke Binnenwirtschaft. "Wir haben bereits grundlegende Veränderungen bei japanischen Unternehmen beobachtet: Investitionen in Kerngeschäfte, einschließlich Fusionen und Übernahmen, eine stärkere Konzentration auf die Rendite und eine größere Aufmerksamkeit für die Aktionäre." Zudem seien die Unternehmen des G7-Landes zusehendes darum bemüht, Kosten zu senken, Geschäfte neu auszurichten und in Auslandsaktivitäten zu investieren. Die Aktionärsrendite habe bereits einen historischen Höchststand erreicht, ein Trend, der sich fortsetzen werde.

Mit Spannung dürften die Anleger auch verfolgen, ob sich die Rekordrally am indischen Aktienmarkt im neuen Jahr fortsetzt. Der Leitindex Sensex hat 2021 um rund ein Fünftel zugelegt und damit sowohl die Börse in Tokio als auch viele andere Handelsplätze Asiens hinter sich gelassen. Die chinesischen Märkte liegen sogar im Minus, teils deutlich.

UBS-Experte Plebani ist auch mit Blick auf die Börse in Mumbai recht hoffnungsvoll: "Nach einer heftigen zweiten Corona-Welle scheinen die Sorgen um die Delta-Variante in Indien zu schwinden, was zu einer Verbesserung der Stimmung am Aktienmarkt führt." Die Regierung habe auch einige Initiativen wie produktionsgebundene Anreize und niedrigere Körperschaftssteuern eingeführt, was die Investitionen des privaten Sektors ankurbeln dürfte.

Mike Kerley von Janus Henderson aber ist skeptisch: "Der indische Aktienmarkt hat sich selbst übertroffen, da die Bewertungen weit über dem langfristigen Durchschnitt liegen und einen rekordverdächtigen Aufschlag gegenüber dem Rest der Region aufweisen." Die Herausforderungen blieben derweil. Dringend benötigte Reformen würden oft durch die Politik verzögert und Öl- und Rohstoffpreise hätten einen starken Einfluss auf die Wirtschaft des Lands./la/bek/mis

--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---