Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones) --Über viele Jahre boten Aktien europäischer Luxuslabel Anlegern die besten Chancen, von der Konsumfreude wohlhabender Chinesen zu profitieren. Pekings rigoroses Vorgehen gegen auffälligen Reichtum wirft nun einen Schatten auf dieses Geschäft. Aber es gibt ja immer noch die Möglichkeit, in die gehobene amerikanische Konkurrenz zu investieren.

Die großen europäischer Luxusmarken haben an der Börse im Schnitt 14 Prozent an Wert verloren, seit Chinas Staatschef Xi Jinping Mitte August eine Rede hielt, in der er eine stärkere Umverteilung des Reichtums und die Eindämmung "übermäßiger" Einkommen forderte. Noch ist nicht klar, was dies für die Luxusgüterbranche tatsächlich bedeuten wird, aber die Rede reichte aus, um die Aktionäre aufzuschrecken.

Dabei könnte jede Politik, die die Kaufkraft einer größeren Zahl chinesischer Haushalte stärkt, der Branche auf lange Sicht sogar nützen. Schätzungen von UBS zufolge entfallen 70 Prozent bis 80 Prozent aller Luxusgüterkäufe in China auf die neue Mittelschicht.

Frühere harte Maßnahmen der Regierung hatten der Branche immer wieder kurzfristig zugesetzt. Als Peking 2012 im Rahmen einer Antikorruptionskampagne die Ausgaben chinesischer Regierungsbeamter einschränkte, brach das Umsatzwachstum im Bereich der Luxusartikel bis 2013 weltweit auf zwei Prozent ein. Das entsprach einem Fünftel des Wachstums aus den drei vorherigen Jahren, wie Daten von Bain & Company belegen.


 Eingriffe Pekings haben Umsätze schon früher geschmälert 

Vergleichbar gingen auch 2016 die Umsatzzahlen zurück, als es zu einem harten Durchgreifen bei der Vergabe von Schattenkrediten kam, die Chinas überaus wichtigen Immobilienmarkt speisten. Neuerliche Bemühungen Pekings zur Eindämmung von immer weiteren Immobilieninvestitionen, die derzeit ihre Wirkung beim überschuldeten Immobilienentwickler Evergrande zeigen, könnten eine ähnliche Wirkung entfalten.

Einige Luxusmarken sind heute in den USA besser im Geschäft als früher. Das sichert sie in gewisser Weise ab, falls sich der chinesische Markt abkühlen sollte. Als besonders gut ausgewogen gilt das Geschäft von LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton. Nach Schätzungen von Bernstein macht der Branchenführer 28 Prozent seines Umsatzes mit amerikanischen Käufern. 27 Prozent entfallen auf Chinesen. Im zweiten Quartal stieg der Umsatz des französischen Unternehmens in den USA um 31 Prozent gegenüber demselben Zeitraum vor der Pandemie 2019.

Der Schweizer Uhrenhersteller Swatch zeigt ein gegenteiliges Extrem. Hier werden 44 Prozent der Einnahmen mit chinesischen Kunden gemacht und nur 9 Prozent mit US-Amerikanern. Burberry und Hermès sind ebenfalls stärker von Chinesen abhängig als die Branche im Schnitt.

Die Aktien von Prada und dem Gucci-Eigentümer Kering haben in den letzten sechs Wochen mit Kursverlusten von 25 und 18 Prozent am stärksten gelitten - zu Unrecht wie manche Beobachter meinen. Zugegeben, die Neuausrichtung von Prada hat gerade erst begonnen und benötigt noch nachhaltige Nachfrage seitens der jungen Chinesen, damit sie wirklich greift. Aber die boomenden Verkäufe in den USA sowohl bei Prada als auch bei Kering mit den Marken Bottega Veneta und Yves Saint Laurent sollten eigentlich beruhigend wirken.


 Es gibt Luxuslabel ohne China-Bias 

Anleger haben durchaus Möglichkeiten, wenn sie China umgehen wollen. Der spezialisierte Einzelhändler Watches of Switzerland verkauft den Großteil seiner Produkte in Großbritannien und den USA. Niederlassungen in Asien besitzt er nicht. Und die amerikanischen Marken Capri, Tapestry und Ralph Lauren sind in ihrem florierenden Heimatmarkt stärker engagiert als die europäischen Anbieter. Durchschnittlich erzielen sie hier mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes.

Selbst nach dem jüngsten Einbruch erscheinen die europäischen Luxusaktien noch teuer. Sie werden momentan mit einem Aufschlag von etwa 70 Prozent auf den MSCI-Index gehandelt. Anfang August hatte die Prämie ihren Spitzenwert von über 100 Prozent erreicht. Wie die UBS ermittelt hat, liegt der historische Durchschnitt des Aufschlags bei lediglich 50 Prozent.

Solange keine Gewissheit darüber besteht, wie das Geschäft der Luxusmarken auf ein hartes Durchgreifen gegen die Vermögensungleichheit in China reagieren wird, sind die auf die USA fokussierten Namen möglicherweise die weniger riskante Wette.

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October 04, 2021 04:08 ET (08:08 GMT)