Von Carol Ryan

NEW YORK (Dow Jones)--Vor Ausbruch der Pandemie arbeiteten 5 Prozent oder sogar noch weniger der US-amerikanischen und europäischen Belegschaften von zu Hause aus. Heute sind diese Quoten wegen des verbreiteten Home Office künstlich hoch. Nach der vorerst letzten offiziellen Zählung arbeiten momentan mehr als 50 Prozent der Londoner Arbeitnehmer von zu Hause aus. Wo sich diese Zahl letztendlich einpendelt, wird für jeden wichtig sein, der ein Büro besitzt. Das Immobilienberatungsunternehmen Green Street schätzt, dass ein Tag pro Woche weniger im Büro die Flächennachfrage um 15 Prozent reduziert.

Eine Verschiebung hin zu flexibleren Arbeitsmustern wird die Vermieter aber nicht über Nacht treffen. Große Büroumzüge planen die Konzerne zwei bis drei Jahre im Voraus und viele Mieter sind vorerst an ihre Vor-Covid-Verträge gebunden. Große Vermieter kassieren immer noch das Gros der fälligen Miete.


Einkaufszentren demonstrieren Disruptionspotenzial 

Dennoch bereiten sich viele Unternehmen auf Veränderungen vor. Auf einer Immobilienkonferenz in der vergangenen Woche kündigte die weltweit aktive Bank Standard Chartered als letztes Unternehmen Pläne an, ihre zentralen Büros für Kundenbesprechungen und gemeinsames Arbeiten neu zu gestalten. Die Tage der "Reihen und Reihen von Schreibtischen" seien vorbei, hieß es.

Das Wachstum des Online-Handels zeigt, wie Technologien die Immobilienpreise verändern können. Ende 2016 wurden laut offiziellen Angaben 8,3 Prozent der Einzelhandelsumsätze in den USA online getätigt. Zu jener Zeit notierten Aktien der US-amerikanischen Einkaufszentren auf dem Höhepunkt ihrer Bewertung, da die Investoren unterschätzten, wie disruptiv der Internet-Trend zu Buche schlägt. Bis zum vierten Quartal 2020, dem letzten Zeitraum, für den Daten verfügbar sind, war der Anteil der Online-Verkäufe auf 14 Prozent empor geklettert. Green Street schätzt, dass der Wert selbst der bestgelegenen US-Einkaufszentren seit 2016 um 45 Prozent eingebrochen ist.


Selbst in Manhattan residieren Firmen nicht mehr so gerne 

Bei Büros haben die Aktienanleger den Verdrängungsdruck viel schneller erkannt. Die Märkte preisen bei Bewertungen von in den USA börsennotierten Bürovermietern wie den auf Manhattan fokussierten Real-Estate-Investment-Trusts (REIT) SL Green Realty und Empire State Realty derzeit einen durchschnittlichen Preisrückgang von 18 Prozent ein.

Ein möglicher Grund sind höhere Kosten für Fremdkapital. Traditionelle Kreditgeber agieren vorsichtig, da es schwieriger wird, Mietverträge zu unterschreiben. "Früher haben die Banken 65 Prozent des Beleihungswerts zu sehr niedrigen Preisen gewährt. Heute vergeben sie 50 Prozent und die Preise sind angezogen", hat Beatrice Dupont, Partnerin bei der Investmentmanagementfirma ARA Venn, beobachtet.


Im Einzelhandel und Bürosegment immer kürzere Mietfristen 

Wie im Einzelhandel werden auch in der Bürobranche die Mietverträge immer kürzer. Vermieter müssen auch längere mietfreie Zeiträume anbieten, um neue Mieter anzuziehen - laut Daten von Colliers jetzt bis zu einem Jahr bei einem Fünfjahresvertrag in Manhattan. Die Mieten gehen dabei in Bürorandlagen stärker als in den Stadtzentren in den Keller, was den Trends ähnelt, die früher in Einkaufszentren zu beobachten waren. Büroeigentümer, die laut Green Street bereits 28 Prozent ihres Nettobetriebseinkommens in die Instandhaltung ihrer Immobilien investieren, werden wahrscheinlich mit noch höheren Kosten konfrontiert.

Das liegt daran, dass einige Büros für neue Arbeitsgewohnheiten umgestaltet werden müssen. Bürovermieter haben ein paar schwierige Jahre vor sich. Die gute Nachricht lautet, dass ihre Aktionäre von der seit jüngstem laufenden Disruption der Immobilienbranche kaum überrascht sein dürften.

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March 01, 2021 11:08 ET (16:08 GMT)