Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Armin Laschet hat es geschafft und mit ihm auch ein wenig die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auf dem CDU-Parteitag hat der Aachener mit einer Rede das Herz der Delegierten erwärmt, die ein bisschen an Lagerfeuerstimmung erinnerte. Es ging um Zusammenhalt, Kompromissfähigkeit und Erneuerung der Partei. Dies erinnerte durchaus an Merkels moderaten Politikstil.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Laschet muss nun unter Beweis stellen, dass er auch in der Bundesliga als selbsternannter Mannschaftskapitän und neuer CDU-Vorsitzender im Herbst das Team bei der Bundestagswahl zum Sieg führen und den Rebellen Friedrich Merz erfolgreich einbinden kann. Merz hat in der Stichwahl zwar gegen Laschet verloren, aber beide trennten nur 61 Stimmen.

Klar ist, dass Laschet Merkels politischem Kurs am nächsten steht und Deutschland daher Kontinuität bevorsteht. Am Vorabend hatte sich Merkel in ihrem Grußwort an die CDU-Delegierten ein Team gewünscht, was durchaus als unverhohlene Empfehlung für Laschet aufgefasst werden konnte. Denn dieser trat zusammen mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn als seinem Vize an. Mit dem Sieg Laschets hat Merkel bei allen Differenzen ihr politisches Erbe gesichert.

Mit Laschet wird ein Mann die CDU führen, der anders als Merz und der dritte CDU-Kandidaten Norbert Röttgen mit der Bundeskanzlerin kann. Das muss er auch, denn Merkel wird erst nach der Bundestagswahl aus der Bundespolitik ausscheiden. Die Kanzlerin hat mit der Corona-Pandemie die Zügel in der Hand. Und hier könnte es Konfliktpotential geben, denn Laschet hat in den vergangenen Monaten öfter durch einen wankelmütigen Kurs von sich reden gemacht und deutlich früher auf Lockerungen der Beschränkungen gedrängt als etwa die Kanzlerin.


   Kanzlerkandidatur offen 

Anders als Merz, der sich in der Stichwahl geschlagen geben musste, setzt Laschet auf keinen konfrontativen, sondern auf einen versöhnenden Ansatz. In NRW reagiert er mit der FDP. Mit ihm ist vorstellbar, dass die FDP nach der Bundestagswahl auch auf Bundesebene wieder in Regierungsverantwortung kommt.

In Wirtschaftsfragen wird Laschet darauf drängen, dass Deutschland auf dem Weg hin zur Klimaneutralität nicht die Industrie vertreibt und dass die Energiekosten bezahlbar bleiben.

Offengelassen hat Laschet bislang, ob er mit dem CDU-Vorsitz auch seinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur der Union verbindet. Dieser Posten muss gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder entschieden werden. Der Bayer will dies aber erst im Frühjahr nach zwei wichtigen Landtagswahlen tun. In Umfragen ist Söder deutlich beliebter als Laschet.

Auch auf dem digitalen Parteitag hat der 59-jährige Laschet kein glänzendes Ergebnis eingefahren. Mit 521 der 991 abgegebenen Stimmen lag Laschet zwar vor Merz, aber dieser kam mit 460 Stimmen auf ein respektables Ergebnis.


   Blackbox Friedrich Merz 

Merz wurden mit seiner zweiten Niederlage bei einer Wahl zum CDU-Chef nun wohl die Flügel gestutzt. Ob das endgültig ist und ob seinem Angebot der Zusammenarbeit mit Laschet, wie er es auf Twitter mitteilte, auch zu trauen ist, bleibt abzuwarten.

Vor der Wahl war in der Union von der "Blackbox Friedrich Merz" die Rede. Denn mit der Unberechenbarkeit des Juristen und Wirtschaftsexperten hat man Erfahrung. Sollte die CDU am 14. März bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verlieren, wird auch Laschet unter Beschuss stehen. Offen ist, ob Merz hier zu denen zählen könnte, die den ersten Stein werfen.

Als Merz 2002 den Machtkampf gegen Merkel verlor und ihr die Rolle der Oppositionsführerin im Deutschen Bundestag überlassen musste, zog er sich später aus der Politik zurück. Aber er kehrte 2018 zurück, um Merkel nach deren Rückzug vom CDU-Vorsitz im Amt zu beerben. Das misslang.

Der Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer hat er nach deren Sieg beim Wettbewerb um den CDU-Vorsitz im Dezember 2018 das Leben schwer gemacht. Knapp verloren stichelte er über Monate gegen ihren Kurs - und tat dies auch in seiner Bewerbungsrede am Samstag. Vorstellbar ist, dass Merz auch für Laschet weiter ein unbequemes CDU-Mitglied bleibt.

Für ein entspannteres Verhältnis zwischen Merz und Laschet spricht allerdings, dass sich beide lange kennen und auch bereits zusammengearbeitet haben. Als Ministerpräsident machte Laschet Merz zum Beauftragten für die Folgen des Brexit und die transatlantischen Beziehungen. Gut möglich, dass er Merz nach gewonnener Bundestagswahl ins Kabinett holt. Bis dahin müsste Merz sich aber geduldig zeigen, denn ein Posten am Kabinettstisch von Merkel ist schwer vorstellbar.

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January 16, 2021 08:29 ET (13:29 GMT)