Von Jacky Wong

PEKING (Dow Jones)--Die lang erwartete Abkehr von Chinas Null-Covid-Politik dürfte den Aktionären in die Karten spielen. Sie wurde der widerspenstigen Staatsführung weitestgehend von unzufriedenen Bürgern aufgezwungen und der Schritt beflügelt die leidgeprüften chinesischen Aktien. Wie weit der Aufschwung reicht, hängt jedoch davon ab, ob Chinas Wiederöffnung auch den Immobilienmarkt belebt - und wie schlimm die "Covid-Ausstiegswelle" des Landes ausfällt. Nach fast drei Jahren strenger Pandemie-Beschränkungen scheint China endlich beschlossen zu haben, dass es genug ist.

Einige Großstädte, darunter Peking, haben die Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid gelockert. Darunter fallen einige Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für Bürger und Testanforderungen, obwohl die Fallzahlen weiterhin hoch sind. Die Regierung unternimmt auch einen erneuten Versuch, ältere Menschen zu impfen, nachdem die Impfkampagne Mitte des Jahres an Schwung verloren hatte.

Dies ist ein wichtiges Signal dafür, dass eine maßvolle Öffnung endlich in greifbare Nähe rückt. Vergangene Woche erklärte Chinas Staatschef Xi Jinping gegenüber europäischen Vertretern, dass das Virus weniger tödlich sei als in der Vergangenheit. Auch die staatlichen Medien haben ihre Rhetorik bezüglich der Gefahren der Krankheit abgemildert.


Staatsführung alarmiert durch Proteste 

Die weit verbreiteten Proteste, die vor etwa einer Woche im ganzen Land aufflammten - eine Seltenheit in China - haben die Staatsführung des Landes eindeutig alarmiert. Und die Vielzahl ansteckender Covid-Varianten hat die Beibehaltung von Chinas Null-Toleranz gegenüber Infektionen fast unmöglich gemacht, ohne die ohnehin schon schwache Wirtschaft des Landes bis ins Mark zu treffen.

Die Kosten für die fast ununterbrochenen Massentests haben auch die Finanzen der kommunalen Regierungen ernsthaft belastet. Nach vielen Fehlstarts sind die Anleger daher zu Recht voller Hoffnung, dass Peking endlich bereit ist, seine drakonische Null-Covid-Politik ernsthaft zurückzufahren.

Der Hang-Seng-China-Enterprises-Index ist in diesem Monat um 5,2 Prozent gestiegen, nachdem er im November bereits um 29 Prozent hochgeschnellt war. Dennoch schneiden chinesische Aktien in diesem Jahr immer noch schlechter ab als andere große Märkte. Der Wert des MSCI China rangiert nur etwa halb so hoch wie Anfang 2021.


Vor China liegt ein steiniger Weg 

Der Prozess der Wiedereröffnung wird sicherlich steinig sein und mit Sicherheit einige Monate dauern - mindestens. Die vor allem unter der älteren Bevölkerung Chinas niedrige Impfrate könnte einen sprunghaften Anstieg der Covid-Todesfälle auslösen.

Wenn sich die Situation zu sehr zuspitzt, sehen sich einige Städte vielleicht gezwungen, die Covid-Kontrollmaßnahmen noch einmal deutlich zu verschärfen. So sollen dann die Ausbreitung verlangsamt und die Krankenhausressourcen geschont werden - vor allem im Norden Chinas, wo jetzt der Winter Einzug hält.

Das bedeutet, dass die vor uns liegende Aktienrallye anfällig für plötzliche Umschwünge sein könnte, selbst wenn der allgemeine Kursverlauf in den kommenden Monaten nach oben zeigt.

Konsumgüteraktien, die in den vergangenen Jahren unter die Räder kamen, entwickeln sich wenig überraschend besonders gut. Aktien der Feuertopf-Restaurantkette Haidilao haben etwa seit Ende Oktober um 87 Prozent zugelegt, die des Sportbekleidungsunternehmens Li Ning um 56 Prozent. Diese Unternehmen werden davon profitieren, dass die Haushalte wieder anfangen, Geld auszugeben.

Im Gegensatz zu Washington hat Peking den Haushalten keine großen Konjunkturpakete geschenkt, und der chinesische Arbeitsmarkt liegt vor allem für junge Leute nach wie vor am Boden.


Wohnungsmarkt ist unbekannte Variable 

Eine weitere entscheidende Frage lautet, ob die Wiedereröffnung auch Chinas schwächelnden Wohnungsmarkt ankurbelt. Die Regierung hat die politische Unterstützung für die Branche verstärkt und macht es finanzstärkeren Bauträgern leichter, sich Geld von Banken zu leihen oder auch sich Kapital auf den Anleihe- und Aktienmärkten zu beschaffen.

Dies könnte die Liquiditätskrise lindern, mit der selbst die besten Akteure der Branche derzeit konfrontiert sind, wird aber den Wohnungsabsatz nicht direkt ankurbeln. Die Abkehr vom Null-Covid wird helfen, aber es ist noch zu früh, um zu sagen, ob dies ausreicht, damit der Immobilienmarkt wirklich Fuß fassen kann.

Das Ende der Null-Covid-Politik wird einige Investoren, die den chinesischen Markt in den vergangenen zwei Jahren verlassen haben, wieder zurück ins Spiel bringen. Eine nachhaltige Erholung hängt jedoch auch von einer ungewissen Erholung des Immobilienmarktes ab. Und es gehört auch genügend Glück dazu, um die Art von Massensterben zu vermeiden, das die Verantwortlichen zu einer schädlichen Kehrtwende zwingen könnte, sobald sich das Virus weiter ausbreitet.

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December 05, 2022 10:09 ET (15:09 GMT)