Von Anna Hirtenstein und Paul J. Davies

NEW YORK (Dow Jones)--Der US-Dollar ist so billig wie seit Jahren nicht mehr, und das zieht ausländische Investoren in US-Staatsanleihen, während gleichzeitig Pensionsfonds ihre Treasury-Bestände aufstocken. Dieser Nachfrageanstieg könnte die Zinssätze für Staatsanleihen drücken, obwohl das Wirtschaftswachstum anzieht.

Der WSJ-Dollar-Index, der den Greenback gegenüber einem Währungskorb misst, ist in diesem Quartal bisher um 2,9 Prozent gefallen und bewegt sich in der Nähe des niedrigsten Niveaus seit etwa fünf Monaten. Der Preis für die Absicherung von Dollars durch Termingeschäfte war vergangene Woche ebenfalls so günstig wie seit mindestens sechs Jahren nicht mehr und liegt laut einer Analyse der Deutschen Bank weiterhin in etwa auf diesen Niveau.

"Wenn ich in einen Anleihenmarkt investieren würde, wie das vielen Anleger gerade tun, dann würde ich US-Staatsanleihen kaufen", sagt Laurent Crosnier, Chief Investment Officer der Londoner Niederlassung von Amundi, Europas größtem Vermögensverwalter. Die positive Rendite und die niedrigen Absicherungskosten "machen die US-Staatsanleihen im Vergleich zu anderen attraktiv."

Die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen rutschte Anfang der Woche unter 1,5 Prozent und schloss am Donnerstag bei 1,458 Prozent - das war der niedrigste Stand seit dem 2. März. Die Preise steigen, wenn die Renditen fallen.


   Fondsmanager dürften Portfolios umschichten 

Staatsanleihen sind in Zeiten einer schwächeren Wirtschaftsleistung wegen ihrer Sicherheit und Liquidität beliebt. Es wird allgemein erwartet, dass die Erholung von der Pandemie dazu führen wird, dass Fondsmanager ihre Bestände reduzieren, da sie ihre Portfolios für bessere Zeiten und weniger Unsicherheit positionieren. Die Anleger erwarten weithin einen Anstieg der Inflation aufgrund einer Kombination aus Nachholbedarf, Angebotsengpässen und Konjunkturprogrammen. Dies wird auch als negativ für herkömmliche Anleihen gesehen, deren feste Cashflows bei steigenden Preisen an Kaufkraft verlieren.

Trotzdem gab es bei den jüngsten Auktionen von Staatsanleihen einen Anstieg der Nachfrage von ausländischen Investoren. Eine fünfjährige Anleihe, die am 26. Mai verkauft wurde, erhielt mit über 64 Prozent die meisten Gebote von ausländischen Investoren seit August. Bei einer siebenjährigen Emission in der gleichen Woche wurden die meisten Gebote seit Januar abgegeben. Die jüngsten Daten des US-Finanzministeriums zeigen, dass große ausländische Investoren ihre Bestände an US-Staatsanleihen mit längerer Laufzeit im März aufstockten.

Die Abwertung des Dollars hängt laut Analysten mit der hohen Liquidität auf dem Markt zusammen, die von einer Kombination aus Stimulierungsmaßnahmen der Federal Reserve und kolossalen, anleihefinanzierten Fiskalausgaben des Weißen Hauses herrührt.

Die Bargeldbestände sind während des Covid-19-Lockdowns in die Höhe geschossen, wobei die Einlagen bei den Geschäftsbanken in den USA laut der Federal Reserve of St. Louis einen Rekordstand von 17,1 Billionen Dollar erreicht haben. Die Vermögenswerte in Geldmarktfonds belaufen sich nach Angaben des Investment Company Institute auf insgesamt 4,6 Billionen Dollar, was nahe an einem Rekordwert liegt.

Die Renditen am US-Geldmarkt sind durch die überschüssige Liquidität unter Druck geraten und teilweise gegen Null gesunken.

Terminkurse, die verwendet werden, um einen Wechselkurs zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu sichern und das Risiko von Währungsschwankungen zu reduzieren, werden auf der Grundlage von Geldmarktsätzen und der Differenz zwischen den Renditen der inländischen kurzfristigen Schuldenmärkte der beiden Währungen berechnet. Je kleiner die Differenz, desto billiger der Handel - und genau das ist passierte, als die US-Zinsen sanken.

"Wenn man eine zehnjährige US-Staatsanleihe nimmt und sie mit einem dreimonatigen Forward absichert, erhält man eine Rendite von etwa 0,9 Prozent", sagte Althea Spinozzi, eine Fixed-Income-Strategin bei der Saxo Bank.

Das ist höher als alle europäischen Staatsanleihen mit derselben Laufzeit. Die Rendite der zehnjährigen italienischen Anleihe lag am Donnerstag bei 0,755 Prozent. Die entsprechende japanische Anleihe rentierte mit 0,659 Prozent.


   Analysten rechnen mit steigenden Renditen von Staatsanleihen 

Allerdings erwarten viele Analysten, dass die Renditen von Staatsanleihen steigen werden, wenn das Wirtschaftswachstum und die Inflation in den USA anziehen. Laut dem Factset-Median von 47 Schätzungen wird die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen bis zum Ende des Jahres 1,90 Prozent erreichen.

"Das bedeutet, dass ein zweiter Ausverkauf die erhofften Carry-Renditen zunichtemachen könnte, wenn Sie jetzt handeln würden", sagt Ralf Preusser, ein Fixed-Income-Stratege bei der Bank of America.

"Wir denken, dass der Ausverkauf bei den Dollar-Zinsen langsamer und allmählicher vonstattengehen wird, sobald wir 2 Prozent für die zehnjährige Anleihe erreichen. Wir gehen davon aus, dass dies mit Zuflüssen von europäischen und japanischen Anlegern in Gang kommt", sagte er.

Eine andere Quelle, aus der Geld in die Treasuries fließt, sind Pensionsfonds. Starke Anstiege bei risikoreicheren Vermögenswerten wie Aktien haben in den vergangenen Monaten dazu beigetragen, die Lücke zu schließen, die viele Fonds zwischen dem Wert ihrer Vermögenswerte und ihren Verbindlichkeiten haben, was es ihnen ermöglicht, Barmittel in sicherere Vermögenswerte wie Anleihen zu verschieben.

US-Pensionsfonds haben im ersten Quartal dieses Jahres fast 90 Milliarden US-Dollar aus Aktien in festverzinsliche Anlagen umgeschichtet, davon 41 Milliarden in Treasuries, wie die Analysten der Bank of America sagen.

Diese Mittelflüsse haben dazu beigetragen, die Renditen niedrig zu halten. Mike Bell, ein Stratege für globale Märkte bei J.P. Morgan Asset Management, erwartet jedoch, dass die zehnjährigen Renditen in den nächsten zwölf Monaten auf etwa 2 Prozent steigen werden - und dieses Niveau werde noch mehr Investitionsflüsse anlocken.

"Der Anstieg der Renditen von dort wird viel langsamer sein und Treasuries werden viel attraktiver sein", sagt er.

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June 11, 2021 09:26 ET (13:26 GMT)