Hannover - 15. Januar 2021. Die Perspektiven der niedersächsischen Industrie wie auch großer Teile
von Handel, Gastronomie und Dienstleistungen haben sich über den Jahreswechsel offenbar massiv
eingetrübt. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage, die die Gemeinschaft von 14 Arbeitgeberverbänden
unter Führung von NiedersachsenMetall in den Monaten Dezember 2020 und Januar 2021
durchgeführt hat. 820 Unternehmen haben sich an der Umfrage beteiligt.
Niedersachsenmetall-Hauptgeschäftsführer Dr. Volker Schmidt: 'Nach dem Katastrophenjahr 2020
sind die positiven Erwartungen für Produktion und Umsatz über Weihnachten und den Jahreswechsel
deutlich eingebrochen. Der für 2021 erhoffte Aufholprozess beginnt von Woche zu Woche wackeliger
zu werden.' Noch im Dezember erwartete die Industrie nach einem Produktionseinbruch von 20 % in
2020 für das Jahr 2021 einen Zuwachs von 10 %, im Januar gingen die Erwartungen für 2021 auf nur
noch 6 % Zuwachs zurück.
Alarmismus gefährdet Planungssicherheit
An dieser Entwicklung sei die Politik nicht unschuldig, erklärte Schmidt. Schmidt: 'Mitunter drängt
sich der Eindruck auf, es herrsche ein politischer Wettbewerb, um die Ankündigung der nächsten
noch härteren Maßnahme bei der Pandemiebekämpfung, ohne dass die hierfür notwendigen Fakten
vorliegen. Kein Zweifel, wir haben es mit einer nie gekannten außergewöhnlich schwierigen Situation
zu tun. Aber die Politik trägt Mitverantwortung auch für die Arbeitsplätze, für die materielle Existenz
von Millionen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern.' Deswegen wünsche man sich mitunter schon,
dass der eine oder andere in der Politik seine Worte mehr wägen würde, bevor er sie auf täglichen
Pressekonferenzen ausspräche. 'Täglicher Alarmismus entzieht jeder belastbaren
Unternehmensplanung die Grundlage. Die Konsequenzen zeichnen sich bereits ab: Unternehmen
schrauben die Erwartungen für 2021 wieder runter, streichen die Investitionen zusammen, bauen
Personal ab und verzichten darauf, freiwerdende Stellen wieder zu besetzen.'
EU-Kommission schürt Verunsicherung
Schmidt wies darauf hin, dass die niedersächsische Industrie bereits seit 2019 im Rückwärtsgang sei.
'Auf minus 5 % Produktion in 2019 sind durch Corona im letzten Jahr noch einmal minus 20 %
hinzugekommen.' Besonders kritisch sei die Lage bei den Automobilzulieferern. Die stets neuen
Ankündigungen der EU-Kommission für weitere Verschärfungen der CO2-Grenzwerte während der
letzten zwei Jahre träfen die deutsche Automobilindustrie empfindlich. 'Die Autokäufer werden
verunsichert, die Nachfrage bricht ein, 2020 wurden 45 % weniger Autos in Deutschland produziert
als drei Jahre zuvor. Einen solchen Einbruch hält keine Branche aus.' Jetzt sei durch die CoronaMaßnahmen der Bundesregierung ein weiteres Mal der Neuwagenverkauf gestoppt worden. Für wie
lange, könne derzeit niemand sagen. 'Wie aus wegbrechenden Erträgen die hohen Investitionen in
neue Antriebstechnologien finanziert werden sollen, bleibt das betriebswirtschaftliche Geheimnis
von EU-Kommission und Bundesregierung', sagte Schmidt.

Handel und Dienstleistungen: Minus 33 % Umsatz in 2020
Handel und Dienstleistungen hätten besonders schwer zu kämpfen. 2020 sei der Umsatz im Schnitt
um 33 % eingebrochen. Auch hier verdüsterten sich zuletzt wieder die Perspektiven. Schmidt:
'Wurden im Dezember noch 20 % Umsatzzuwachs für 2021 prognostiziert, hat sich der Wert wenige
Wochen später auf 8 % mehr als halbiert.'
Cash ist King und bleibt es - Mehrwertsteuersenkung fällt durch
Schmidt machte deutlich, dass zur Abwehr der Krise in den Betrieben allesamt Maßnahmen Priorität
hätten, die die Liquidität sicherstellen. 'Cash ist King und bleibt es', sagte Schmidt. Besonders positiv
beurteilten die Unternehmen in der Umfrage die Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags und
unbürokratisch gewährte Zuschüsse. Die befristete Mehrwertsteuersenkung habe nach Ansicht der
Unternehmen außer mehr Bürokratie nichts bewirkt. Schmidt: 'Die Bundesregierung hat hier 15
Mrd. € ausgeschüttet, ohne einen nennenswerten konjunkturellen Impuls zu erzielen. Die befristete
Mehrwertsteuersenkung wird als Paradebeispiel für die Verschwendung von Steuergeld in die
Geschichte der deutschen Finanzpolitik eingehen.'
55.000 weniger Stellen in 2020 und 2021 zu erwarten - Kurzarbeiterregelung hat Schlimmeres am
Arbeitsmarkt verhindert
Schmidt machte deutlich, dass aus personal- und arbeitsmarktpolitischer Sicht die bestehenden
Kurzarbeitergeldregelungen als die mit Abstand sinnvollste staatliche Unterstützung in den Betrieben
gesehen werde. Schmidt: 'Die Kurzarbeit hat bisher einen Kollaps am Arbeitsmarkt verhindert,
gleichwohl ist sie natürlich kein Allheilmittel, erst recht nicht bei strukturellen Verwerfungen.'
NiedersachsenMetall erwartet, dass in den 'Corona-Jahren' 2020 und 2021 zusammen etwa 55.000
Stellen in der Industrie des Landes verloren gehen, davon allein 35.000 Stellen in der
Autozulieferindustrie.
Den Blick nach vorne richten
Schmidt forderte, dass die Bundesregierung stärker den Blick auf die Zeit nach Corona richten müsse.
'Der Standortwettbewerb geht weiter. Corona bedeutet nicht die Stop-Taste, nicht einmal die PauseTaste.'
Wirtschaftspolitisch käme der Steuerpolitik eine Schlüsselrolle zu. 'Wir brauchen jetzt energische
steuerpolitische Signale für mehr Investitionen, um zu zeigen: Es wird nach der Krise weitergehen!
Dies ist psychologisch gerade jetzt nicht zu unterschätzen, weil es darum geht, die
Zukunftserwartungen der Unternehmen zu stabilisieren und Perspektiven aufzubauen.' Dazu gehöre
u.a. die Abschaffung des Solidaritätszuschlages für Kapital- und Personengesellschaften, die
Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags und eine Senkung der Körperschaftssteuer.

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ADK - Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschukindustrie e.V. published this content on 15 January 2021 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 15 January 2021 12:45:05 UTC