FRANKFURT (awp international) - Auf dem Weltmarkt für Rohöl hat mit dem Jahreswechsel ein spürbarer Stimmungswandel eingesetzt. War das Jahr 2018 noch von einer monatelangen Talfahrt der Ölpreise geprägt, folgte mit Beginn des neuen Jahres eine eindrucksvolle Erholung. Zeitgleich haben sich aber die Aussichten für die Weltwirtschaft spürbar eingetrübt. Während die boomende Konjunktur in China immer stärker an Schwung verliert, zeigen sich auch erste Bremsspuren in der US-Wirtschaft. Die Anzeichen verdichten sich: Die beiden grössten Volkswirtschaften verlieren an Schwung - und das dürfte auch Folgen für die weitere Entwicklung der Ölpreise haben.

SO HABEN SICH DIE ÖLPREISE ENTWICKELT:

Mit einem Gewinn von jeweils etwa 20 Prozent seit Anfang Januar zählen Rohöl der Nordseesorte Brent und der US-Sorte WTI zu den Assetklassen, die 2019 bisher mit am besten abgeschnitten haben. Am Montag hatten sowohl der Preis für Brent-Öl bei 63,63 Dollar je Barrel als auch der Preis für US-Öl bei 55,75 Dollar jeweils den höchsten Stand seit etwa zwei Monaten erreicht.

DAS SIND DIE PREISTREIBER BEIM ÖL:

Als starker Preistreiber am Ölmarkt gilt die Förderpolitik der Organisation erdölexportierender Länder (Opec), die gemeinsam mit verbündeten Ölstaaten eine Kürzung der Fördermenge beschlossen hat. Anfang Dezember hatten die in der Gruppe "Opec+" zusammengefassten Ölstaaten auf einem Treffen in Wien entschieden, künftig 1,2 Millionen Barrel Öl pro Tag weniger aus dem Boden zu pumpen.

Ein Beschluss, der laut jüngsten Schätzungen auch in die Tat umgesetzt wird. Die Nachrichtenagentur Bloomberg bezifferte die Fördermenge der Opec im Januar nach einer Umfrage auf 31,02 Millionen Barrel pro Tag. Das entspricht fast einer Million Barrel weniger als im Januar. Auch in Russland, einem der wichtigsten Staaten in der Opec+, gehen Experten von einem Rückgang der Fördermenge aus.

Allerdings spielt die schwere Wirtschaftskrise in Venezuela der Opec in die Karten. Das südamerikanische Land ist Mitglied des Ölkartells und musste die Produktion wegen maroder Förderanlagen bereits seit geraumer Zeit drosseln. Zuletzt sorgten Sanktionen der USA gegen den Ölsektor Venezuelas für einen weiteren Dämpfer.

Für Auftrieb bei den Ölpreisen sorgt auch die jüngste Entspannung im Handelsstreit zwischen den USA und China. Zuletzt hatte eine Gesprächsrunde von hochrangigen Vertretern beider Seiten in Washington stattgefunden, und US-Präsident Donald Trump hatte sich anschliessend optimistisch gezeigt.

Schliesslich stützt auch die jüngste Entwicklung der Förderanlagen in den USA die Ölpreise. Am Freitagabend hatte die Ausrüsterfirma Baker Hughes gemeldet, dass die Zahl der aktiven Bohrlöcher in den USA deutlich gesunken ist. Demnach waren in der vergangenen Woche 847 Bohrlöcher in Betrieb und damit 15 weniger als in der Woche zuvor. Rohstoffexperten sprachen bei der Zahl der US-Bohrlöcher vom niedrigsten Niveau seit Mai 2018.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Nach Einschätzung von Rohstoffexperten sprechen gute Gründe gegen einen weiteren Anstieg der Ölpreise. Vor allem die Abkühlung der Weltwirtschaft dürfte die Nachfrage nach Rohöl bremsen und die Preise belasten. Anfang des Jahres hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) die Konjunkturprognose für dieses und das nächste Jahr gesenkt.

"Auf Sicht der kommenden Monate prognostizieren wir einen Ölpreis um die Marke von 60 Dollar je Fass, was unseres Erachtens nach wie vor in etwa dem fairen Niveau entspricht", sagt Andreas Speer, Rohstoffexperte der BayernLB. Neben der schwächeren Weltwirtschaft sieht er eine weitere Bremse bei den Ölpreisen: Die rekordhohe Fördermenge in den USA.

Im Januar schätzte die amerikanische Energiebehörde EIA, dass die Vereinigten Staaten im Laufe des Jahres 2020 zum Nettoexporteur werden, also regelmässig mehr Öl fördern, als sie selbst verbrauchen. Demnach soll die amerikanische Erdölförderung in diesem Jahr das Rekordhoch von 12,07 Millionen Fass pro Tag erreichen und im kommenden Jahr auf 12,86 Millionen Fass pro Tag steigen.

"Dieses Niveau wurde von der US-Energiebehörde selbst eigentlich erst für 2040 erwartet", kommentierte Experte Speer. Dies belege eindrucksvoll, "wie schnell und wie stark die US-Energiefirmen ihren Ausstoss allen Unkenrufen zum Trotz erhöhen können".

Carsten Fritsch, Rohstoffexperte der Commerzbank, sieht noch einen weiteren Grund, der auf lange Sicht gegen einen starken Anstieg der Ölpreise spricht. Während die Krise in Venezuela den Ölpreisen aktuell noch Auftrieb verleihe, könnte die politische Entwicklung in dem Krisenstaat auch "zu einem preisdämpfenden Faktor werden", sagt Fritsch. Venezuela verfüge nämlich über die höchsten nachgewiesenen Ölreserven der Welt. Sollte es zu einem Regierungswechsel kommen und ausländische Investitionen in den maroden Ölsektor fliessen, dürfte in Venezuela langfristig deutlich mehr Öl produziert werden./jkr/bgf/fba