ASCHHEIM/MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der Zahlungsdienstleister Wirecard setzt sich gegen einen kritischen Bericht der Wirtschaftszeitung "Financial Times" weiter zur Wehr. Die Anschuldigungen der Zeitung hinsichtlich eines Fehlverhaltens weise Wirecard weiter "kategorisch" zurück, bekräftigte der Dax-Konzern am Mittwoch in Aschheim bei München. Insbesondere seien die 34 angeblichen Kunden, deren Zahlungsströme die "FT" in ihrem Artikel am Vortag bezweifelt hatte, tatsächlich zusammengefasste Kundengruppen, die nur für Berichtszwecke erstellt wurden. Dahinter stünden jeweils Hunderte von echten Einzelhändlern. Die Schlussfolgerungen der Zeitung seien "nicht korrekt", teilte Wirecard mit.

Die "FT" hatte die mutmaßlichen 34 Kunden angefragt, viele von ihnen hätten nie von dem Wirecard-Partner Al Alam, über den die Zahlungen stattgefunden haben sollen, gehört und nur wenige hätten eine Kundenbeziehung zu Wirecard selbst bestätigt, hatte es in dem Zeitungsbericht geheißen. Viele hätten zudem nicht geantwortet oder seien nicht aufzufinden gewesen. Das seien starke Indizien, dass viele der Al Alam zugeordneten Zahlungsabwicklungen nicht stattgefunden haben könnten, schloss die Zeitung. Wirecard verwies erneut darauf, dass der Wirtschaftsprüfer EY die Zahlen geprüft und die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben bestätigt habe.

Al Alam sei ein Drittpartner von vielen, mit denen das Unternehmen zusammenarbeite, weil teilweise eigene Lizenzen für die Zahlungsabwicklung in verschiedenen Ländern fehlten, erläuterte Wirecard und wiederholte damit frühere Angaben. Etwas weniger als die Hälfte des Transaktionsvolumens im vergangenen Jahr in Höhe von 125 Milliarden Euro habe Wirecard mit solchen Partnern abgewickelt, Al Alam sei einer von mehr als hundert solcher Partner. Wirecard führe verschiedene Zahlungsabwickler auf seiner eigenen Plattform zusammen, die Partner seien oft im Hintergrund aktiv. Das sei ein in der Branche üblicher Ansatz.

Am Dienstag hatte der Bericht der Zeitung für heftige Verluste der Wirecard-Aktie gesorgt. Der Kurs fiel zeitweise um 23 Prozent, womit sich 4 Milliarden Euro Marktwert vorübergehend in Luft auflösten. Am Handelsende standen noch fast 13 Prozent Verlust zu Buche. Am Mittwochvormittag drehte die Aktie nach anfänglichen Verlusten zuletzt ins Plus und stieg um knapp ein Prozent.

Seit Monaten liefert sich das Unternehmen mit der Zeitung eine Auseinandersetzung um Bilanzierungspraktiken, angeblich fehlende Kontrollmechanismen und mögliche Marktmanipulation. Anfang des Jahres hatten Berichte der "FT" rund um Bilanzunregelmäßigkeiten in Singapur für Unruhe gesorgt. Die Aktie rutschte innerhalb einer guten Woche teils um fast die Hälfte ab. Wirecard hatte nach Untersuchungen einräumen müssen, dass einige Posten bei einer Tochter tatsächlich falsch verbucht wurden, allerdings in geringerem Umfang als von der "FT" suggeriert. Einige Mitarbeiter könnten sich in Singapur strafbar gemacht haben, systematische Luft- und Falschbuchungen schließt Wirecard aber aus.

Der Fall beschäftigt weiter die Behörden. In Deutschland gehen Staatsanwaltschaft München und Finanzaufsicht Bafin dem Verdacht unerlaubter Marktmanipulation durch Spekulanten nach, die mit schlechten Nachrichten die Aktie unter Druck bringen und daran mittels sogenannter Leerverkäufe verdienen wollen. Die Bafin verbot zeitweise sogar neue Leerverkäufe mit der Wirecard-Aktie. Den neuerlichen Vorfall von Dienstag untersucht die Behörde ebenfalls in Abstimmung mit der Staatsanwaltsschaft München. Für ein erneutes Verbot von Leerverkäufen sehe die Bafin aber keinen Grund, sagte eine Sprecherin.

Das Unternehmen wiederum geht rechtlich per Strafanzeige gegen Mitarbeiter der Londoner Zeitung vor, weil sie mit Spekulanten unter einer Decke stecken sollen. Die "FT" sieht sich allerdings nach eigens in Auftrag gegebenen Untersuchungen einer Anwaltskanzlei von diesen Vorwürfen entlastet./men/knd/mis