ASCHHEIM (awp international) - Der Zahlungsdienstleister Wirecard setzt sich nach einem starken zweiten Quartal erneut höhere Ziele. Dabei strebt das Management des Dax-Kandidaten dank des Shoppingbooms im Internet und wegen Zukäufen nicht nur im laufenden Jahr mehr Gewinn an, sondern auch mehr Geschäft in den kommenden Jahren. "Wir verzeichnen ein starkes organisches Wachstum, nicht zuletzt aufgrund des sich beschleunigenden weltweiten Trends zur Digitalisierung von Zahlungsprozessen", sagte Wirecard-Chef Markus Braun am Donnerstag in Aschheim bei München. "Die Digitalisierung steht in vielen Branchen erst ganz am Anfang."

Im laufenden Jahr rechnet das Unternehmen nun mit einem Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 530 bis 560 Millionen Euro. Seit der letzten Erhöhung im April standen 520 bis 545 Millionen Euro im Plan. Analysten hatten bereits mit Werten nahe des oberen Endes der neuen Prognosespanne gerechnet.

Die Wirecard-Aktie legte im frühen Handel um sechs Prozent zu und steuert damit abermals auf ein Rekordhoch zu. Das Fintech-Unternehmen ist an der Börse derzeit 21 Milliarden Euro wert. Zum Vergleich: Das grösste deutsche Geldhaus, die Deutsche Bank , ist mit rund 20,5 Milliarden Euro weniger schwer. Wenn die Zusammensetzung des Leitindex Dax im September überprüft wird, rechnen Experten damit, dass Wirecard in die erste Börsenliga aufsteigt und die Commerzbank weichen muss.

Gewinn und freier Bargeldzufluss hätten im zweiten Quartal besser gelegen als erwartet, zudem lägen insbesondere die Ergebnisaussichten für 2020 höher als von Experten gedacht, schrieb Commerzbank-Analystin Heike Pauls. Sie selbst sehe Luft nach oben für höhere eigenen Schätzungen und ihr Kursziel, so die Expertin in einer Schnelleinschätzung. Von der Kursentwicklung des Unternehmens profitiert vor allem auch Konzernchef Braun selbst, der mit 7 Prozent grösster Aktionär ist und dessen Aktienpaket derzeit fast 1,5 Milliarden Euro wert ist.

Wirecard verdient sein Geld mit Dienstleistungen rund um die Abwicklung von Zahlungen im Internet, aber auch auf sonstigen elektronischen Wegen. Das sorgt bei Börsianern für Wachstumsfantasie, Vorstandschef und Grossaktionär Markus Braun sieht noch enormes Potenzial. Weltweit würden noch immer 80 bis 85 Prozent aller Zahlungen bar abgewickelt - Wirecard will möglichst viel davon künftig in elektronische Kanäle leiten. Dazu arbeitet das Unternehmen mit Händlern und anderen Finanz- und Technologiekonzernen zusammen, unter anderem mit Visa , Mastercard , Google und Apple .

Im ersten Halbjahr konnte das TecDax-Schwergewicht die abgewickelten Zahlungen auf der eigenen Plattform um fast die Hälfte auf 56,2 Milliarden Euro steigern - daran verdient Wirecard über einbehaltene Gebühren mit. Im Jahr 2020 erwartet der Konzern nun mehr als 215 Milliarden Euro an Zahlungen statt wie bisher 210 Milliarden. Der Umsatz soll dann auf mehr als 3 Milliarden Euro klettern, nach bisher eingeplanten 2,8 Milliarden. Vergangenes Jahr waren es 1,5 Milliarden.

Im zweiten Quartal steigerte Wirecard den Konzerngewinn um 47 Prozent auf 82,4 Millionen Euro. Eckdaten zu Umsatz und operativem Ergebnis von April bis Ende Juni hatte das Unternehmen schon vorgelegt. Der Umsatz war dank starkem Wachstum und Zukäufen um 40 Prozent auf 477 Millionen Euro geklettert, das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) fast in der gleichen Grössenordnung auf 133 Millionen Euro. Die operative Marge lag mit 27,9 Prozent knapp unter dem Wert aus dem Vorjahr. 2020 soll sie zwischen 30 und 35 Prozent liegen.

Wirecard kauft stetig neue Firmen dazu, im vergangenen Jahr waren es insbesondere Geschäfte in Nordamerika und Asien. Vom Wachstum im ersten Halbjahr kam beim Umsatz gut die Hälfte aus eigener Kraft, der Rest durch Zukäufe. In Schwellenländern setzt Wirecard darauf, dass mobile und elektronische Zahlungslösungen auch wegen teils nur rudimentär vorhandener Finanzsektoren in manchen Ländern besonders stark wachsen./men/zb