Experten des vom Dieselskandal erschütterten Wolfsburger Autokonzerns erklärten am Mittwoch, Anlass für den Besuch von Fahndern der Braunschweiger Ermittlungsbehörde am Dienstag seien Meinungsverschiedenheiten mit dem Kraftfahrt-Bundesamt über die Verlässlichkeit des Abgasüberwachungssystems bei älteren Dieselfahrzeugen mit Motoren des Typs EA 288. Dabei handele es sich nicht um den Verdacht einer illegalen Abschalteinrichtung oder eines umstrittenen Thermofensters, bei dem Selbstzünder die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen herunterfahren.

Volkswagen hatte am Dienstag mitgeteilt, die Staatsanwaltschaft Braunschweig habe Büros in Wolfsburg durchsucht. Den Vorwürfen lägen technische Sachverhalte zugrunde, die der Autobauer den Ermittlungs- und Zulassungsbehörde selbst frühzeitig offengelegt habe. Volkswagen kooperiere mit der Staatsanwaltschaft, vertrete jedoch eine andere Rechtsauffassung und halte die Ermittlungen für unbegründet.

Die Staatsanwaltschaft wollte sich auch am Mittwoch nicht zu den Gründen für die Durchsuchung äußern. "Trotz der offenbar recht ausführlichen Stellungnahme des Volkswagen-Konzerns zum Hintergrund der gestrigen Durchsuchung möchten wir den Einsatz selbst und auch die hiesigen Ermittlungen derzeit nicht weiter kommentieren", erklärte ein Sprecher der Behörde auf Anfrage.

VW teilte mit, im Rahmen von Software-Analysen beim EA 288 habe man auch das On-Board-Diagnose-System (OBD) überprüft. Dieses soll dem Fahrer anzeigen, wenn die Abgasreinigung mit SCR-Katalysator nicht wie vorgeschrieben funktioniert. "Es wird derzeit noch mit dem KBA erörtert, ob die regulatorischen Voraussetzungen für die Überwachung eines SCR-Totalausfalls in EA288-Fahrzeugen der ersten Modelljahre eingehalten wurden." Ein solcher Ausfall komme in der Praxis äußerst selten vor. Dennoch habe man die Zulassungsbehörde über die Möglichkeit informiert.

Bei dem Diesel-Motor mit der Bezeichnung EA 288 handelt es sich um den Nachfolger des durch den Abgasskandal in Verruf geratenen EA 189. Volkswagen hatte im September 2015 zugegeben, millionenfach Diesel-Abgaswerte durch eine spezielle Software manipuliert zu haben. Diese sorgt dafür, dass Diesel-Autos die Stickoxidgrenzwerte auf dem Prüfstand einhalten, auf der Straße aber ein Vielfaches mehr von dem giftigen Abgasen ausstoßen. Die Aufarbeitung des Skandals hat den Konzern bislang mehr als 30 Milliarden Euro gekostet. In mehreren Prozessen ist Volkswagen noch mit Schadensersatzforderungen von Autohaltern und Investoren konfrontiert, die zu weiteren Belastungen in Milliardenhöhe führen könnten. Vor dem Oberlandesgericht in Braunschweig wollen Verbraucherschützer stellvertretend für Hunderttausende VW-Kunden Ansprüche durchzusetzen. Um ein langwieriges Verfahren zu vermeiden, hat der Richter beide Seiten aufgefordert, bis Jahresende zu erklären, ob sie zu Vergleichsverhandlungen bereit wären.