Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Juli bis September um 0,6 Prozent zum Vorquartal zu, wie das Statistikamt ONS am Freitag mitteilte. Damit dürfte das Vereinigte Königreich wenige Monate vor dem Abschied aus der EU Deutschland konjunkturell deutlich überflügelt haben. Doch wirft der Brexit bereits seine Schatten voraus: Die Investitionen wurden laut ONS so schnell zurückgefahren wie seit Anfang 2016 nicht mehr. Jüngste Umfragen im Oktober lassen zudem darauf schließen, dass das Wachstum abebben wird. Die Bank von England geht daher für die letzten drei Monate 2018 nur noch von plus 0,3 Prozent aus.

Damit würde sich die Wirtschaftsleistung jedoch noch immer im grünen Bereich bewegen. In Deutschland rechnen viele Experten hingegen damit, dass die Konjunktur im Sommer den Rückwärtsgang eingelegt hat: Hierzulande wird ein Minus von 0,1 Prozent erwartet - auch wegen der Probleme in der Autobranche. So war beispielsweise Volkswagen mit der Umstellung auf das neue Abgasmessverfahren WLTP nicht hinterhergekommen und hatte im September einen Verkaufsrückgang verbucht. Auch in der gesamten Euro-Zone dürfte die Konjunktur im Sommer nicht so gut gelaufen sein wie jenseits des Ärmelkanals: Fachleute rechnen nur mit einem kleinen Plus beim BIP von 0,2 Prozent. Die Daten für Deutschland und die Euro-Zone werden kommenden Mittwoch veröffentlicht.

Ökonom Daniel Vernazza von der Großbank UniCredit verweist darauf, dass die britischen Verbraucher die mit dem Brexit zusammenhängende Unsicherheit bislang weitgehend ausgeblendet haben: "Doch das könnte sich ändern." Er erwartet, dass das BIP-Wachstum für das Gesamtjahr mit 1,3 Prozent relativ mager ausfallen wird. Auch die deutschen Wirtschaftsweisen haben diese Zahl für Großbritannien auf dem Zettel. Für das deutsche BIP veranschlagen sie 1,6 Prozent.

In London bescheinigte Finanzminister Philip Hammond der Wirtschaft seines Landes "fundamentale Stärke". Auf den zweiten Blick verlieren die guten britischen Wachstumszahlen jedoch ein wenig an Glanz: Der Zuwachs ist hauptsächlich auf die starke Entwicklung im Hochsommer zurückzuführen. Im September trat die Wirtschaft auf der Stelle. Auch die Industrieproduktion stagnierte.

Im gesamten Sommerquartal saß vielen Briten angesichts des heißen Wetters das Geld aber locker. Ihre Besuche in Pubs und Restaurants kurbelten den Konsum an. Auch der Außenhandel erwies sich als Wachstumstreiber. Doch der Brexit trübt den konjunkturellen Ausblick. Notenbankchef Mark Carney sprach jüngst von einem Zustand "annähernd maximaler Unsicherheit", mit dem die Unternehmen auf der Insel konfrontiert seien. Dass die Firmen daher sehr vorsichtig vorgingen, sei verständlich. Großbritannien will die EU Ende März 2019 verlassen. Die Umstände des Austritts sind jedoch noch immer ungeklärt.