- von Jan Schwartz und Ilona Wissenbach

Die Automobilindustrie ächzt unter der Corona-Krise: Bei VW und Daimler wurden die Gewinne im Auftaktquartal fast ausradiert, weil die Werke wegen der Pandemie seit Mitte März stillstanden, die Kosten aber weiterliefen.

Einen Verlust konnten die beiden deutschen Vorzeigekonzerne zu Jahresbeginn noch vermeiden. Im zweiten Quartal rechnet Volkswagen jedoch operativ mit roten Zahlen, wie Finanzchef Frank Witter am Mittwoch sagte. Auch der Stuttgarter Rivale kündigte für diesen Zeitraum einen Betriebsverlust an. "Es wird ein schwieriges Quartal", sagte Vorstandschef Ola Källenius am Mittwoch. Beide Autobauer setzen darauf, dass der Staat die darniederliegende Autonachfrage nun mit Kaufanreizen in Gang bringt und die Krise dadurch eindämmt.

"Wir brauchen eine schnelle Entscheidung", mahnte VW-Finanzchef Frank Witter bei einer Telefonkonferenz. Man hoffe, dass die Programme "praktikabel und nicht allzu kompliziert" ausfallen. Gefördert werden sollten nicht nur Elektroautos, sondern auch Hybridfahrzeuge sowie Diesel und Benziner. Über Details wollten die Regierungschefs der drei Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen am Nachmittag beraten. VW-Chef Herbert Diess hatte zuletzt ein umfassendes Konjunkturprogramm gefordert, durch das die Autoindustrie als Zugpferd wieder auf die Beine kommen soll. Sein Cheflobbyist Thomas Steg sagte bei einer Veranstaltung der Grünen-Bundestagsfraktion, die Autobranche favorisiere eine staatliche Kaufprämie für alle Modelle. Nur E-Autos stärker zu fördern, werde nicht ausreichen.

BMW hatte bereits Mitte März für das laufende Jahr einen Einbruch von Absatz und Ergebnis in Aussicht gestellt. Dennoch erwarten die Münchner im Autogeschäft bisher einen Gewinn. Voraussetzung dafür sei aber eine Markterholung binnen einiger Wochen, hatte der Vorstand erklärt. BMW will seine Quartalszahlen am 6. Mai veröffentlichen.

BARES WIRD RAR

Autobauer wie ihre Lieferanten versuchen mit Hochdruck, ihr Geld zusammenzuhalten, weil die Einnahmen aus dem Autoverkauf versiegt sind. Vor allem kleineren Firmen droht die Insolvenz. VW und Daimler haben nach mehrwöchiger Zwangspause zwar begonnen, ihre Werke hochzufahren. Bevor die Produktion rund läuft und die Teileversorgung wieder reibungslos klappt, dürften aber noch einige Wochen vergehen, wenn nicht Monate. Bisher ist überhaupt nicht absehbar, wann wieder so viele Autos verkauft werden, dass die Produktion ausgelastet werden kann. Die Hoffnung der Branche richtet sich auf China, wo die Produktion nach der Eindämmung der Pandemie wieder läuft. Volkswagen rechnet damit, dass die Pkw-Nachfrage auf seinem größten Markt im Sommer das Vorjahresniveau erreichen wird. Ob die Rückgänge in den übrigen Regionen rund um den Globus damit aufgefangen werden können, wird von Analysten allerdings bezweifelt.

Bei den Autozulieferern sieht es ähnlich düster aus. Marktführer Bosch erwartet bei einer weltweiten Rezession einen Rückgang der Autoproduktion um mindestens ein Fünftel. "Wir stellen uns auf eine globale Rezession ein, die auch unsere Geschäftsentwicklung 2020 deutlich belasten wird", sagte Finanzchef Stefan Asenkerschbaumer. "Die Krise in der Automobilindustrie ist eine, wie wir sie noch nie hatten", ergänzte Bosch-Chef Volkmar Denner.

Continental, Nummer drei unter den Zulieferern, will der "WirtschaftsWoche" zufolge Investitionen in das automatisierte Fahren verschieben, um die Liquidität zu schonen. Das Ausmaß der Krise sei einmalig und stelle die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 in den Schatten, zitierte das Magazin Konzernchef Elmar Degenhart. Es gebe keine Erfahrung mit dem weltweiten Neustart einer gesamten Industrie. Er hoffe im zweiten Halbjahr auf "sich normalisierende Verhältnisse".

AUTOS AUF HALDE

Der VW-Betriebsrat warnte vor einem Stau produzierter Neuwagen, die keinen Abnehmer finden. Die Kunden interessierten sich derzeit nicht für einen Autokauf. "Unsere Neuwagenlager stoßen bereits heute an ihre Grenzen", schrieb Betriebsratschef Bernd Osterloh in einem Brief an die Belegschaft, der Reuters vorlag. Der Blick auf den Bestelleingang sei ein echtes Trauerspiel. "Trotzdem legen wir jetzt wieder los, um Neuwagen in den Markt zu bringen. Wenn das so bleibt, dann stehen unsere Werke vielleicht in ein paar Wochen wieder. Im Moment schaut leider alles danach aus." Osterloh sprach sich für ein ganzes Bündel an Maßnamen aus, um den Autokauf in Schwung zu bringen. Alle im Branchenverband VDA vertretenen Hersteller sollten die vom Staat zugesagten Kaufprämien nach Kräften unterstützen "und je nach zugesagter Summe womöglich sogar verdoppeln".