LONDON (awp international) - Die Terroranschläge in der Türkei und Belgien drohen Europas zweitgrösstem Reiseveranstalter Thomas Cook den Sommer zu verderben. Bislang lägen die Reisebuchungen für die Sommersaison über alle Zielgebiete hinweg fünf Prozent niedriger als vor einem Jahr, teilte der Konzern mit Marken wie Neckermann Reisen und Öger Tours am Donnerstag in London mit. Konzernchef Peter Fankhauser hofft jetzt auf ein starkes Last-Minute-Geschäft. An der ersten Dividende seit Jahren will er derzeit nicht rütteln.

Die Thomas-Cook-Aktie reagierte mit einem Kurseinbruch auf die Nachrichten. An der Londoner Börse fiel das Papier zeitweise auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahren und lag zuletzt noch mit fast 17 Prozent im Minus. Für die Aktien des Wettbewerbers Tui ging es um knapp drei Prozent nach unten, nachdem ein Airbus der Fluggesellschaft Egyptair am Morgen als vermisst gemeldet wurde. Laut Kreisen des ägyptischen Luftfahrtministeriums ist die aus Paris kommende Maschine abgestürzt.

MARKTFÜHRER-ROLLE ALS NACHTEIL

Bei Thomas Cook drückte bisher vor allem die Tourismuskrise am Bosporus aufs Geschäft. "Wir sind Marktführer für die Türkei-Reisen in Deutschland und Grossbritannien", erklärte Fankhauser den Buchungsrückgang. "Es kann also sein, dass wir etwas stärker leiden als die Wettbewerber."

Der weltgrösste Reisekonzern Tui hatte vergangene Woche zwar ebenfalls von dürftigen Türkei-Buchungen berichtet, nachdem bei einem Anschlag in Istanbul im Januar mehrere deutsche Touristen ums Leben gekommen waren. Insgesamt liegen die Tui-Sommerbuchungen aber ein Prozent höher als im Vorjahr. Von der Abneigung der Kunden gegen die Türkei profitieren vor allem Reisen auf die Balearen und die Kanarischen Inseln, aber auch Fernziele wie die USA sind stark gefragt.

HOFFEN AUF LAST-MINUTE-GESCHÄFT

Bei Thomas Cook konnten die Buchungszuwächse für Spanien und Amerika die Rückgänge im Türkei-Geschäft bislang jedoch nicht auffangen. In Kontinentaleuropa liegen die Sommerbuchungen bislang sogar 10 Prozent niedriger als vor einem Jahr, in Deutschland liegt der Rückgang bei 6 Prozent. Besonders in Belgien seien nach den Anschlägen in Brüssel vom März die Buchungen deutlich eingebrochen. Der konzerneigenen deutschen Fluglinie Condor macht die Türkei ebenfalls zu schaffen - mit einem Buchungsrückgang von 4 Prozent.

"Es ist schwer zu sagen, wie das Last-Minute-Geschäft läuft", sagte Fankhauser. So habe Thomas Cook bis jetzt mehr als eine Million Türkei-Reisen verkauft. Die Nachfrage könne durchaus wieder anziehen. "Wir sehen so etwas derzeit in Griechenland." Streiks und die Flüchtlingskrise in dem Land schrecken bisher viele Kunden ab.

OPERATIVER GEWINN SOLL NICHT SINKEN

Fankhauser erwartet derweil, dass Thomas Cook seinen um Sondereffekte bereinigten operativen Gewinn (bereinigtes Ebit) im laufenden Geschäftsjahr bis Ende September mindestens stabil halten kann. Mit seiner Prognose von 310 bis 335 Millionen britischen Pfund (275 bis 297 Mio Euro) liegt der Manager im unteren Bereich dessen, was Analysten erwartet hatten. Dennoch soll es wie geplant nach Jahren erstmals wieder eine Dividende geben.

Im Winterhalbjahr bis Ende März dämmte der Veranstalter seinen saisontypischen bereinigten operativen Verlust im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp 6 Prozent auf 163 Millionen Pfund ein. Im Deutschland-Geschäft blieb das Ergebnis sogar in den schwarzen Zahlen und etwas höher als im Vorjahr, obwohl Thomas Cook den Wegfall von Tunesien und Teilen Ägyptens als Winterziele zu schultern hatte. Der Umsatz ging konzernweit um 2,6 Prozent auf 2,67 Milliarden Pfund zurück. Unter dem Strich fiel das Minus mit 269 Millionen Pfund um 11 Prozent geringer aus als ein Jahr zuvor./stw/men/stb