HANNOVER (awp international) - Unerwartet starke Buchungen für die Urlaubsziele Türkei und Nordafrika haben den weltgrössten Reisekonzern Tui tiefer in die roten Zahlen rutschen lassen. In der Folge seien Betten auf den Kanarischen Inseln frei geblieben, teilte das Unternehmen am Dienstag vor seiner Hauptversammlung in Hannover mit. Auch der lange Sommer in Nordeuropa und die Schwäche des britischen Pfund bremsten die Nachfrage im typischerweise schwachen ersten Quartal bis Ende Dezember. Tui-Chef Fritz Joussen hatte sein Gewinnziel deshalb bereits in der vergangenen Woche gekappt.

Doch für die Tui-Aktie ging es am Dienstag noch einmal deutlich nach unten. Nachdem sie bereits nach der Gewinnwarnung vom Mittwoch fast ein Fünftel an Wert verloren hatte, sackte der Kurs am Morgen der Hauptversammlung um zeitweise sieben Prozent in den Keller. Zuletzt lag er noch mit 2,74 Prozent im Minus bei 10,63 Euro. Das Veranstaltergeschäft samt den Tui-Fluggesellschaften sei noch schwieriger gelaufen als gedacht, schrieb Branchenexperte Cristian Nedelcu von der Grossbank UBS. Seit dem Jahreswechsel hat Tui an der Börse rund eine Milliarde Euro an Wert verloren.

Tui-Chef Joussen sieht den Konzern trotz aller Turbulenzen "sehr gut aufgestellt". In den Monaten Oktober bis Dezember steigerte Tui den Umsatz um gut vier Prozent auf 3,7 Milliarden Euro. Der saisontypische Quartalsverlust stieg aber um fast 28 Prozent auf 139 Millionen Euro, der operative Verlust (bereinigtes Ebita) fiel mit 84 Millionen Euro mehr als doppelt so hoch aus wie ein Jahr zuvor.

Für das laufende Geschäftsjahr bis Ende September erwartet Joussen nun ein operatives Ergebnis etwa auf Vorjahreshöhe - und damit bei knapp 1,2 Milliarden Euro. Reiseveranstalter schreiben im Winter meist rote Zahlen. Ihre Gewinne fahren sie in der Hauptreisezeit im Sommer ein.

Mit Blick auf den derzeitigen Umbruch der Reisebranche betonte Joussen: "Wir sind in einer sehr starken Position, um von der anstehenden Konsolidierung zu profitieren." Etwa ein Jahr nach der Air-Berlin-Pleite wurde die Insolvenz der Fluglinie Germania bekannt, wenig später stellte Europas zweitgrösster Reisekonzern Thomas Cook seine Airline-Sparte samt der deutschen Condor zum Verkauf. Joussen betonte allerdings, dass es keine Gespräche mit Thomas Cook gebe.

Der Tui-Chef hält die Wachstumstrends im Segment der konzerneigenen Hotels und Kreuzfahrtschiffe, das für 70 Prozent des Konzernergebnisse verantwortlich ist, für intakt. Anfälliger für Krisen sind aus seiner Sicht klassische Reiseveranstalter und Fluggesellschaften. "Die Kunden reisen, aber sie akzeptieren keine Preiserhöhungen", sagte Joussen.

Das Problem: der Trend zum Last-Minute-Urlaub drückt auf die Gewinnspannen des Veranstalters, der die Reisen billiger verkaufen muss als geplant. Denn bevor er auf bereits eingekauften Hotelkapazitäten und Flugtickets sitzen bleibt, verkauft er sie in der Regel für weniger Geld. Zudem zieht es Urlauber wieder häufiger in die Türkei und nach Nordafrika, wo der Urlaub nach jahrelangen Krisen in den vergangenen Jahren billig geworden war.

Auf den Kanarischen Inseln, wo die Preise immer weiter gestiegen waren, hielt die Nachfrage hingegen mit dem Angebot nicht mit: Überkapazitäten sind die Folge. Besonders heftig wurde für Veranstalter der Preiskampf bei den britischen Urlaubern. Wegen des bevorstehenden Brexit und der Schwäche des Pfund sind britische Kunden besonders preisempfindlich./stw/tst/elm/jha/