ESSEN (awp international) - Trotz andauernder Kritik der Arbeitnehmer steuert der Industriekonzern Thyssenkrupp weiter mit Nachdruck auf eine Fusion seines europäischen Stahlgeschäfts mit der indischen Tata Steel zu. Die Pläne hätten absolute Priorität, sagte Konzernchef Heinrich Hiesinger am Donnerstag auf der Bilanzpressekonferenz in Essen. Die Vorbereitungen befänden sich im Plan.

Die Aktie von Thyssenkrupp stieg am Mittag um 2,7 Prozent. Nach einem schwachen Handelsstart gewann bei den Anlegern der Optimismus über die Neuausrichtung des Konzerns die Oberhand. Zunächst waren die vorgelegten Zahlen und die Jahresprognose eher kritisch beäugt worden.

Hiesinger bekräftigte noch einmal die Notwendigkeit des Zusammenschlusses. "Die strukturellen Probleme in der europäischen Stahlindustrie bestehen unverändert weiter", sagte er. Es gebe auch in Europa noch erhebliche Überkapazitäten beim Flachstahl. Man dürfe sich von dem aktuell guten Marktumfeld nicht blenden lassen. "Wir sind überzeugt, dass die Vereinbarung mit Tata die bestmögliche Lösung ist", erklärte der Manager. Dabei zielt das Unternehmen auf eine einvernehmliche Lösung mit den Arbeitnehmern.

Zeitgleich mit der Bilanzvorgabe versammelten sich nach Angaben einer IG-Metall-Sprecherin nahezu 8000 Thyssenkrupp-Stahlkocher zu einer Demonstration in Andernach. Diese sowie die Gewerkschaft fürchten den Abbau von deutlich mehr als die vom Unternehmen angekündigten 2000 Arbeitsplätze und kritisieren die von Thyssenkrupp anvisierte Verlegung des Sitzes der Stahlsparte in die Niederlande.

Personalvorstand Oliver Burkhardt zeigte sich jedoch zuversichtlich, eine tragfähige Lösung zu finden. Nach mehreren Sondierungsgesprächen rechne er am Freitag mit dem Start der Verhandlungen mit der IG Metall und den Arbeitnehmervertretern. Die Zustimmung der Arbeitnehmer zu der Transaktion ist nicht zwingend notwendig. Notfalls könnte Thyssenkrupp die Fusion auch ohne diese durchsetzen. Allerdings setzt auch Hiesinger darauf, mit den Arbeitnehmervertretern eine "gute Lösung" zu finden.

Thyssenkrupp und Tata erhoffen sich durch die Zusammenlegung ihrer Aktivitäten Synergien in Millionenhöhe - die erwarteten jährlichen Einsparungen bezifferte der Essener Konzern früheren Angaben zufolge auf 400 bis 600 Millionen Euro. Zudem erhofft sich Thyssenkrupp eine Verbesserung der chronisch niedrigen Eigenkapitalquote.

An dem Joint Venture sollen Thyssenkrupp und Tata je 50 Prozent halten. Zu der Frage, wie lange Thyssenkrupp seinen Anteil halten wolle, wollte Hiesinger auch auf Nachfrage keine Stellung nehmen. Der Stahl sei jedoch eine "Wurzel des Unternehmens", betonte er. Den Zeitplan bekräftigte Hiesinger. Der endgültige Vertrag soll bis Anfang 2018 ausgearbeitet, die Transaktion möglichst bis Ende 2018 abgeschlossen werden. Auch die Wettbewerbsbehörden müssen noch zustimmen.

Mit der Fusion will sich Thyssenkrupp stärker auf die Industriebereiche konzentrieren, die mittlerweile den Löwenanteil des Konzerngeschäfts ausmachen. So sorgten etwa die gute Entwicklung bei Komponenten und Aufzügen im vergangenen Jahr für einen zweistelligen prozentualen Anstieg der Auftragseingänge und steigende operative Ergebnisse. Dennoch stand im Ende September abgeschlossenen Geschäftsjahr unter dem Strich ein Verlust von 649 Millionen Euro. Hintergrund ist die Abschreibung von 900 Millionen Euro auf das mittlerweile verkaufte brasilianische Stahlwerk, die Thyssenkrupp im ersten Halbjahr vorgenommen hatte. Die Dividende soll unverändert bei 0,15 Euro je Aktie bleiben.

Für das laufende Geschäftsjahr will Thyssenkrupp seinen Wachstumskurs fortsetzen. Hiesinger kündigte ein weiteres operatives Gewinnplus sowie die Rückkehr in die schwarzen Zahlen an. Helfen sollen dabei auch Einsparungen von 750 Millionen Euro./nas/uta/oca