ESSEN (awp international) - Gut ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt des neuen Thyssenkrupp -Chefs Guido Kerkhoff rückt die Aufspaltung des Ruhrkonzerns in greifbare Nähe. Die Geschäftsergebnisse des jüngsten Quartals sind durchwachsen. Die Teilung in zwei selbstständige Unternehmen werde faktisch bereits zum 1. Oktober dieses Jahres vollzogen sein, kündigte Kerkhoff am Dienstag in Essen an. Der geplanten Trennung des Unternehmens in ein Werkstoff- und ein Industriegüterunternehmen müsse die Hauptversammlung des Konzerns jedoch Anfang 2020 noch zustimmen.

"Wir sind längst auf dem Weg", so Kerkhoff, der mit der Teilung auch eine Vereinfachung der Unternehmensstrukturen und einen auf nur noch drei Köpfe verkleinerten Vorstand anstrebt. Bereits mit Beginn der Sommerferien in Nordrhein-Westfalen Mitte Juli solle jeder der mehr als 160 000 Thyssenkrupp-Mitarbeiter wissen, wie sein künftiger Arbeitsplatz aussieht.

Auf betriebsbedingte Kündigungen werde das Unternehmen dabei verzichten, versicherte Kerkhoff. Es sei jedoch geplant, die Kosten weiter zu reduzieren. Bis zum Geschäftsjahr 2020/21 will Thyssenkrupp die Verwaltungskosten für beide Unternehmen auf unter 300 Millionen Euro senken - von derzeit rund 380 Millionen.

Nach der nun erfolgten Vorstellung der neuen Strukturen sollen noch im Frühjahr die Namen der Vorstände bekannt werden, bevor es im Mai dann um die Eckdaten der Finanzstrukturen und der neuen Strategie gehen wird.

Der langjährige Thyssenkrupp-Finanzchef Kerkhoff hatte im vergangenen Sommer die Leitung des in die Krise geratenen Ruhrkonzerns übernommen. Zuvor war sein Vorgänger Heinrich Hiesinger überraschend zurückgetreten, nachdem ihn Finanzinvestoren stark unter Druck gesetzt hatten. Im Frühherbst legte Kerkhoff dann den Plan zur Aufspaltung des Konzerns vor und und versprach, das Unternehmen mit dem radikalen Umbau aus der Krise zu holen.

Dabei startete der Konzern durchwachsen in das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2018/19 (zum 30. September). Während Umsatz und Auftragseingang zulegen konnten, zeigte sich Kerkhoff mit den Ergebnissen jedoch nicht zufrieden. "Herausragende Ergebnisse" seien nicht erzielt worden, räumte er ein. In den ersten drei Monaten hatte der Stahl- und Industriekonzern im operativen Geschäft weniger verdient. Sinkende Gewinne in den Industriegeschäften wie Komponenten, Aufzüge oder Anlagenbau waren der Grund dafür. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) sank im fortgeführten Geschäft um mehr als ein Drittel auf 168 Millionen Euro.

In dem Ergebnis nicht mehr enthalten ist das Ergebnis der vor der Fusion mit dem europäischen Geschäft von Tata Stell stehenden Stahlsparte. Dieses ging ebenfalls zurück. Grund waren eine schwächere Nachfrage in der Automobilindustrie sowie Produktionsunterbrechungen durch das Niedrigwasser des Rheins. Beim Nettoergebnis legte Thyssenkrupp konzernweit hingegen zu. Der Gewinn stieg um knapp 70 Prozent auf 136 Millionen Euro. Dabei hatte die US-Steuereform den Gewinn im vergangenen Jahr belastet.

Marktexperten äusserten sich ernüchtert. Das Stahlgeschäft in Europa spüre weiteren Gegenwind, was auf Konzernebene den Barmittelzufluss bremse, urteilte etwa Seth Rosenfeld vom Analysehaus Jefferies. Die Aktie gehörte daher am Mittag zu den wenigen Verlierern im Dax und gab 2 Prozent ab. Thyssenkrupp warnte auch vor zunehmenden konjunkturellen und politischen Unsicherheiten. Der Grundtenor des Ausblicks klinge nun vorsichtiger und spiegele die gestiegenen Risiken im Geschäftsumfeld wider, schrieb Analyst Eugene King von Goldman Sachs.

Insgesamt hatte Thyssenkrupp seine Ziele bestätigt. Im fortgeführten Geschäft erwartet der Konzern für das bereinigte Ebit 2018/19 (per 30. September) einen Anstieg von 706 Millionen (auf vergleichbarer Basis) auf mehr als 1 Milliarde Euro. Der Jahresüberschuss soll deutlich über den 60 Millionen Euro aus dem Vorjahr liegen.

Kerkhoff zeigte sich des Weiteren zuversichtlich, das geplante Stahl-Gemeinschaftsunternehmen mit Tata trotz erwarteter Einwände der EU-Kommission noch im Frühjahr abschliessen zu können. Dass das Vorhaben voraussichtlich nicht ohne Auflagen durchgewinkt werde, sei keine Überraschung, sagte Kerkhoff./nas/uta/DP/nas