In den kommenden fünf Jahren plant der weltgrößte Autobauer, knapp 60 Milliarden Euro in klimaschonende Antriebe, selbstfahrende Autos und die Digitalisierung zu stecken. Das beschloss der Aufsichtsrat des Wolfsburger Konzerns am Freitag, wenige Tage nach der überraschenden Ankündigung von Tesla-Chef Elon Musk, in Brandenburg ein neues Werk für E-Autos zu errichten. Während die hohen Ausgaben für neue Antriebe Daimler zum Sparen zwingen, kann Volkswagen dank sprudelnder Gewinne aus dem Vollen schöpfen.

"Wir erhöhen in den folgenden Jahren mit unseren Investitionen noch einmal das Tempo", erklärte Konzernchef Herbert Diess. "Wir wollen unsere Skalenvorteile nutzen und größtmögliche Synergien heben." Angesichts der sich eintrübenden Konjunktur will VW zugleich die Produktivität weiter steigern. "Diese Transformation des Volkswagen-Konzerns treiben wir mit aller Vehemenz voran", betonte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Die finanzielle Basis dafür sei "ausgesprochen solide und robust".

"Ohne einen schnellen Wechsel zur Elektromobilität können wir den Kampf gegen den Klimawandel nicht gewinnen", sagte Diess weiter. Der Elektroantrieb sei die die einzig wirksame Alternative zum Verbrennungsmotor, die sich sofort zu vertretbaren Kosten realisieren lasse. Diess widersprach der Darstellung, es handele sich dabei um eine Wette auf die Zukunft. Bei Volkswagen sei die E-Mobilität Teil der Strategie und befinde sich mitten in der Umsetzung.

Betriebsratschef Bernd Osterloh nannte die Investitions-Entscheidungen ein "Zeichen der Stärke". "Aber, das sage ich auch ganz klar: Hinter den Kulissen herrscht bei uns der gleiche Kostendruck wie überall in der Branche." Deshalb gebe es mit dem Vorstand "die ein oder andere harte Diskussion" über Einsparungen.

Das Land Niedersachsen als zweitgrößter VW-Eigner begrüßte die Beschlüsse des Aufsichtsrats. Von den bis 2024 vereinbarten Investitionen flössen insgesamt 16 Milliarden Euro nach Niedersachsen, sagte Ministerpräsident Stephan Weil, der dem Aufsichtsrat angehört.

DIESS - TESLA UND VW HABEN UNTERSCHIEDLICHE ANSÄTZE

Diess machte klar, dass Volkswagen nicht die Absicht habe, mit Tesla zu kooperieren. "Wir haben unterschiedliche Ansätze. Dennoch verfolgen wir Tesla natürlich sehr aufmerksam. Tesla ist sehr schnell." Der US-Elektroautobauer sei in vielen Dingen für VW auch Maßstab und Vorbild. Von den traditionellen Autobauern sei Volkswagen "derjenige, den sie vielleicht ernst nehmen".

Binnen zehn Jahren plant Volkswagen bis zu 75 reine Elektro-Modelle, bisher waren bis 2028 etwa 70 Modelle vorgesehen. Das Geld für die Investitionen will VW weiter sowohl durch den Mittelzufluss aus dem laufenden Geschäft als auch durch Sparprogramme selbst erarbeiten. Das heißt auch, dass weiterhin Arbeitsplätze verloren gehen, weil das Arbeitsvolumen in der Elektromobilität geringer ist als bei herkömmlichen Verbrennern.

Volkswagen schraubt die Ausgaben hoch, um weitere Werke für den Bau von Elektroautos umzurüsten. Nach dem ID.3, dessen Produktion gerade in Zwickau angelaufen ist, stehen weitere Modelle auf dem Plan. Die Autofabrik in Emden soll ebenfalls auf die Produktion von E-Autos umgestellt werden. Dort soll ab 2022 der elektrische SUV (ID.4) vom Band rollen. Um Platz zu schaffen, soll der Passat mit Verbrennungsmotor aus Emden in ein neues Werk verlegt werden, das eigentlich in der Türkei geplant war. Doch die Pläne für die neue Fabrik liegen seit dem Einmarsch des türkischen Militärs ins benachbarte Syrien auf Eis. Die Entscheidung soll bis zum Jahresende fallen. Sollte es nicht die Türkei werden, wolle man die Fahrzeuge in bestehenden Werken bauen, sagte Diess.

26 MILLIONEN E-AUTOS BINNEN ZEHN JAHREN

In China stellt VW die Werke in Foshan und Anting für den Bau batteriegetriebener Fahrzeuge um, dort soll die Produktion 2020 losgehen. In seinem US-Werk in Chattanooga will VW ab 2022 ebenfalls Elektroautos fertigen. Dort wurde gerade mit dem Bau einer Montagelinie für vollelektrische Fahrzeuge begonnen. In einer ersten Welle will der Konzern bis 2029 weltweit 26 Millionen E-Mobile auf die Straßen bringen, der größte Teil auf Basis de neuen Plattform MEB. Bisher waren bis 2028 bei etwa 70 neuen Modellen rund 22 Millionen Stück projektiert. Ziel der Mammutausgaben ist es, den Ausstoß der Fahrzeugflotte an klimaschädlichem CO2 zu senken, um die schärferen Klimavorgaben zu erfüllen.

AUDI BEKOMMT SCHON WIEDER EINEN NEUEN CHEF

Der VW-Konzern gab auch den erwarteten Führungswechsel bei der Tochter Audi bekannt: Der frühere BMW- und Daimler-Manager Markus Duesmann wird im April 2020 neuer Chef der Volkswagen-Tochter, die mit dem Dieselskandal aus der Spur geriet. Sein Vorgänger Bram Schot, der sein Amt im vergangenen Jahr angetreten hatte, verlässt den Konzern Ende März.