Genf (awp) - Der Bankensoftware-Anbieter Temenos wird zum Umsatz-Milliardär: Mit der nun lancierten Übernahme der britischen Fidessa macht das Westschweizer Unternehmen einen gewaltigen Sprung. Gemeinsam soll dann der Wachstumskurs fortgesetzt werden. Ein Fragezeichen gibt es zum geplanten Gang an den Kapitalmarkt, mit dem die Akquisition teilweise finanziert werden soll.

Ein paar Zahlen verdeutlichen die Dimension des Deals: 2017 hätte das fusionierte Unternehmen einen Umsatz von 1,23 Mrd USD erzielt, wobei Temenos 737 Mio und Fidessa 496 Mio beigesteuert hätten. Der EBITDA wäre bei 398 Mio USD zu liegen gekommen (Temenos: 274 Mio; Fidessa: 125 Mio). Die "neue" Temenos werde zu einem der weltweit führenden Software-Anbieter für Finanzdienstleister, hiess es am Mittwoch bei der Lancierung der Übernahmeofferte.

Schon am Vortag hatte das Unternehmen publik gemacht, dass entsprechende Gespräche "weit fortgeschritten" seien. Nun habe der Fidessa-Verwaltungsrat dem Angebot einstimmig zugestimmt, sagte Temenos-CEO David Arnott am Mittwoch.

PREIS VON 1,8 MRD CHF

Konkret bietet Temenos den schon am Vortag genannten Preis von 35,67 GPB pro Fidessa-Papier, wobei die Aktionäre vor Abschluss der Transaktion noch in den Genuss einer Dividende im Umfang von 0,797 GBP kommen sollen. Insgesamt kostet die Akquisition somit rund 1,4 Mrd GBP oder umgerechnet rund 1,8 Mrd CHF.

Die Offerte entspreche einer Prämie von fast 37% gegenüber dem Schlusskurs vom letzten Freitag, betonte Temenos. Am Vortag waren die Papiere, die an der Londoner Börse gehandelt werden, jedoch schon auf das offerierte Preisniveau gestiegen.

Temenos hofft, die Transaktion im zweiten Quartal 2018 abschliessen zu können. Der genaue Zeitplan wird jedoch erst im März veröffentlicht.

PRODUKTE ERGÄNZEN SICH

Fidessa ist eine Softwareschmiede mit Fokus auf den Handel von Aktien und Derivaten. Temenos ist heute auf standardisierte Bankensoftware etwa zur Konto- und Depotverwaltung, Kreditvergabe und Zahlungsabwicklung spezialisiert.

Weil sich die Produktpaletten ergänzten, geht CFO Max Chuard von sehr guten Wachstumsperspektiven aus. Es sei ein gegenseitiger Kundenzugang geplant. Das Management unterstrich, dass sich nicht nur die Produkte ergänzten, sondern auch die geografischen Schwerpunkte. So sei Temenos in Europa und in Nahost stark, Fidessa in Nordamerika und Japan. Ein konkretes Wachstumsziel wollte CFO Chuard noch nicht nennen. Dafür sei es zu früh.

Hingegen gibt es ein Kostenziel. Konkret wird mit Kostensynergien (vor Steuern) von rund 60 Mio USD innert dreier Jahr gerechnet. Das Management geht zudem davon aus, dass die Transaktion auf Basis des bereinigten Ergebnisses je Aktie bereits 2018 ertragssteigernd sein wird. Im Folgejahr sei eine Gewinnverdichtung um rund 15% zu erwarten (wörtlich: "mid-teen accretion").

WIE GROSS IST DIE KAPITALERHÖHUNG?

Um den Deal zu stemmen, wurde eine Brückenfinanzierung in zwei Tranchen über 1,43 Mrd GBP abgeschlossen. Vor oder kurz nach Abschluss der Transaktion sei zudem der Gang an den Kapitalmarkt geplant. Es sei das Ziel, damit das Verhältnis von Nettoverschuldung zu EBITDA auf rund 4,0x zu reduzieren. Längerfristig geht Temenos von einer Verschuldung von nur noch 1x bis 1,5x aus. Das Ziel ist laut CFO Chuard dank der starken Cash-Generierung erreichbar. In Sachen Dividende sei weiterhin eine nachhaltige bis steigende Ausschüttung geplant.

In Analystenkreisen gab es wegen der vagen Angaben zum "Gang an den Kapitalmarkt" einige Fragezeichen. Damit könne nur eine Kapitalerhöhung gemeint sein, hiess es unisono. Der Experte der ZKB schätzt diese auf eine Grössenordnung von 400 bis 450 Mio USD. Das Unternehmen wollte diese Schätzungen auf Anfrage nicht kommentieren.

Insgesamt stösst der Deal bei den Experten jedoch auf Anklang, wobei die rasche Gewinnverdichtung hervorgehoben wird. An der Börse schlossen die Temenos-Papiere mit 1,2% im Minus, nachdem sie am Vortag nach der Vorankündigung des Deals um 6,0% eingebrochen waren. In Händlerkreisen wird die negative Marktreaktion damit erklärt, dass Temenos bislang selber als Übernahmeziel gegolten habe. Nun falle gewissermassen eine "Übernahmeprämie" weg.

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