Zürich (awp) - Sunrise vollzieht nach der gescheiterten Milliardenübernahme von UPC einen strategischen Schwenker: Weil der zweitgrösste Telekomkonzern der Schweiz jetzt kein Kabelnetz hat, setzt er auf die ultraschnellen Glasfasern.

"Bis 2025 wollen wir über Glasfaserpartnerschaften eine Bevölkerungsabdeckung von 50 bis 60 Prozent erreichen", sagte der neue Sunrise-Chef André Krause am Donnerstag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. Bei den Glasfasern habe die Schweiz nach einem sehr guten Start in den letzten Jahren ihre Position ein bisschen verträumt. "Wir haben dort etwas auf die Pausentaste gedrückt", sagte Krause. Andere Länder seien mittlerweile weiter.

"Deshalb wollen wir mit Partnern vorankommen. Wir können uns nicht nur auf die Swisscom verlassen", sagte Krause. Derzeit hat Sunrise Glasfaserpartnerschaften ausser mit der Swisscom auch mit dem Verbund Swiss Fibre Net (SFN) abgeschlossen, der ein Gemeinschaftsunternehmen von regionalen Energieversorgern ist.

"Darüber hinaus können wir uns noch weitere Partnerschaften vorstellen", sagte Krause. Genaueres wollte der neue Sunrise-Chef nicht sagen. Allerdings schloss er Partnerschaften mit Kabelnetzbetreibern aus. Grund dafür sei die technische Komplexität bei mehreren Netzen.

Ausbau von 5G

Auch bei der neuen Mobilfunkgeneration 5G solle der Ausbau weitergehen, die mittlerweile 426 Ortschaften abdeckt. Das sei ein deutlicher Anstieg in der letzten Zeit, erklärte Krause. Gegen Ende 2019 hatte Sunrise noch über 384 Orte an die Turboversion der neuesten Mobilfunktechnik angeschlossen.

"Wir wollen den Wettbewerb weiter anheizen", sagte Krause. Allerdings drohe auch hier die Schweiz nach einem guten Start zurückzufallen, wenn man nicht investieren könne. Der Sunrise-Chef forderte wie auch Swisscom-Chef Urs Schaeppi von der Politik, klare Parameter für den Antennenausbau festzulegen und eine Versachlichung der von Ängsten beherrschten Diskussion um 5G. Eine Reihe von Kantonen hat 5G-Moratorien verhängt.

Für den Netzausbau greift Sunrise deutlich tiefer in die Tasche als bisher: Die Investitionen für Infrastruktur, die vor allem die Ausgaben für die Netze umfassen, sollen heuer auf rund 310 Millionen Franken steigen, nachdem sie im vergangenen Jahr erst 185 Millionen betragen hatten.

2020 sei ein entscheidendes Jahr für die neue Mobilfunktechnik. Weil immer mehr 5G-Handys und -Tablets auf den Markt kämen, werde die Dynamik zunehmen, sagte Krause: "Wir wollen unsere Führungsposition bei 5G ausbauen."

Das grassierende Coronavirus dürfte den Ausbau nicht bremsen, sagte Krause. Denn der chinesische Lieferant Huawei habe die Lagerbestände für Netzkomponenten aus Sorge vor den amerikanischen Sanktionen schon vor Ausbruch der Krankheit auf sechs Monate ausgebaut. Diese Huawei-Lieferungen in den nächsten sechs Monaten würden für etwa das ganze Jahr 2020 reichen.

UPC-Debakel reisst Loch in Kasse

Der gescheiterte Kauf von UPC für 6,3 Milliarden Franken hat bei Sunrise massiv auf den Gewinn geschlagen. Unter dem Strich halbierte sich der Reingewinn in etwa auf 56 Millionen Franken. Der geplatzte Deal riss ein Loch von 107 Millionen Franken in die Kasse. Grund für das Scheitern Ende Oktober war der Widerstand der Sunrise-Aktionäre unter Führung des deutschen Grossaktionärs Freenet.

In der Folge kam es zu zahlreichen Abgängen in der Chefetage. So nahmen Konzernchef Olaf Swantee und der stark in die Kritik geratene Verwaltungsratspräsident Peter Kurer den Hut. Zum neuen Sunrise-Chef wurde der bisherige Finanzchef André Krause bestimmt. Neuer Verwaltungsratspräsident soll an der kommenden Generalversammlung im April Ex-Accenture-Schweiz-Chef Thomas Meyer werden.

Trotz der Turbulenzen blieb Sunrise 2019 operativ auf Kurs. Der Umsatz wuchs leicht um 0,5 Prozent auf 1,89 Milliarden Franken. Der bereinigte Betriebsgewinn vor Abschreibungen und Amortisationen (EBITDA) legte um 11,2 Prozent auf 668 Millionen Franken zu. Das Plus ist allerdings hauptsächlich einer Änderung der Buchführungsregeln zu verdanken. Auf vergleichbarer Basis wäre der EBITDA im vergangenen Jahr lediglich um 3,9 Prozent gestiegen.

Zudem war das Kundenwachstum im Mobilfunk, im Internet und TV-Geschäft kräftig. Man habe auf breiter Front Marktanteile gewonnen und die Konkurrenz hinter sich gelassen, sagte Krause: "2019 war ein superstarkes Jahr für Sunrise."

Und das Wachstum soll weitergehen: Für das Gesamtjahr 2020 peilt der Telekomkonzern ein Umsatzziel von zwischen 1,875 und 1,915 Milliarden Franken an. Der bereinigte EBITDA (inkl. IFRS-16-Effekt) soll 675 bis 690 Millionen Franken erreichen.

jb/rw