Der seit zwei Jahrzehnten amtierende Konzernchef Markus Jooste und Finanzvorstand Ben La Grange traten zurück, wie Steinhoff mitteilte. Der Aufsichtsrat räumte zudem ein, dass "in Bezug auf Bilanzunregelmäßigkeiten neue Informationen ans Licht gekommen sind". Diese machten weitere Nachforschungen erforderlich. Die Bilanz werde verschoben und erst veröffentlicht, wenn dies möglich sei.

Die neuen Negativ-Schlagzeilen sorgten bei den im MDax notierten Steinhoff-Aktien für den größten Kursrutsch in der Firmengeschichte: Die Titel brachen um mehr als 64 Prozent auf ein Rekordtief bei 1,07 Euro ein. Dabei wechselten bis zum Mittag bereits fast zehn Mal so viele Steinhoff-Papiere den Besitzer wie an einem gesamten Durchschnittstag. Sie waren erneut die meistgehandelte Aktie in Deutschland.

In Johannesburg sackten die Papiere mit 17,56 Rand um 60 Prozent auf den niedrigsten Stand seit sieben Jahren. Einer der Großaktionäre forderte "große Anstrengungen" des Managements, den Sachverhalt aufzuklären. Investment-Manager Omri Thomas von Abax Investments befürchtet allerdings, dass Resultate frühestens im Januar zu erwarten seien und die Unsicherheiten bis dahin bestehen blieben. "Was für ein Chaos" titelten die Analysten von Kepler Cheuvreux in einem Kurzkommentar. "Da kommt noch mehr", befürchten sie.

Steinhoff ist bereits seit August im Visier der Justiz. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt gegen vier aktuelle und ehemalige Verantwortliche des Konzerns, dessen Europazentrale im ostfriesischen Westerstede liegt, wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung. Mutmaßlich seien überhöhte Umsatzerlöse ausgewiesen worden, weil zum Konzern gehörende Firmen immaterielle Werte oder Gesellschafteranteile an vermeintlich fremde, den Ermittlungen zufolge jedoch dem Konzern nahestehende Unternehmen, verkauft haben sollen. Dabei soll es um Transaktionen jeweils in dreistelliger Millionenhöhe gehen. Steinhoff hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. "Ein Abschluss ist aufgrund des Umfang des Verfahrens derzeit nicht abzusehen", erklärte die Ermittlungsbehörde am Mittwoch.

AR-CHEF UND GROßAKTIONÄR WIESE ÜBERNIMMT DAS RUDER

Nun soll Aufsichtsrat und Großaktionär Christoffel Wiese zunächst die Konzernleitung übernehmen. Der 76-jährige Multimilliardär ist mit rund 23 Prozent größter Einzelaktionär von Steinhoff, gefolgt von Public Investment Corp mit 8,5 Prozent und Coronation Fund Managers mit 5,2 Prozent.

Jooste hatte in seiner fast 20-jährigen Amtszeit Steinhoff vom südafrikanischen Möbelhersteller zu einem der weltweit größten Haushaltswaren- und Möbelkonzerne entwickelt. Vor zwei Jahren war Steinhoff von der Börse in Johannesburg nach Frankfurt gewechselt. In Europa ist der Konzern vor allem als zweitgrößter Möbelhändler nach Ikea bekannt (Poco, Leiner, Kika und Conforama) und zuletzt in die USA und nach Australien expandiert. Im September debütierte die Afrika-Tochter Steinhoff Africa Retail an der Börse in Johannesburg. Auch die Aktie brach am Mittwoch um über 20 Prozent ein.

Steinhoff wies im abgelaufenen Bilanzjahr (per Ende September) einen Umsatz von 13,4 Milliarden Euro und einen Nettogewinn von 1,22 Milliarden Euro aus. Die Zahl der Mitarbeiter wurde mit rund 106.000 beziffert.