Stäfa (awp) - Der Hörgerätemarkt ist im Wandel. Erst kürzlich kündigte der US-Kopfhörerspezialist Bose seinen Markteintritt an. Der Schweizer Platzhirsch Sonova will diese Neuigkeit mit der Lancierung der Hörgeräteplattform Marvel im November kontern. Am Investorentag am Hauptsitz in Stäfa bestätigte das Unternehmen ausserdem seine bisherigen Mittelfristziele.

Konkret wird mit der neuen Marvelplattform von Sonova eine direkte Übertragung von Musik, Telefonaten oder Video-Inhalten via Bluetooth auf beide Hörgeräte eines Nutzers möglich. Die Kunden hören die Geräusche also mit beiden Ohren, statt wie bisher nur mit einem.

Mit Marvel sieht sich das Stäfener Unternehmen daher in der Lage, den Kunden ein Produkt zu bieten, das sämtliche ihrer Bedürfnisse zufriedenstellt, zeigte sich Geschäftsleitungsmitglied Martin Grieder am Dienstag am Investorentag überzeugt.

Leichte Strategieanpassung

Das neue Produkt ist jedoch nicht Sonovas einzige Antwort auf den angekündigten Markteintritt von Bose. Wie CEO Arnd Kaldowski ausführte, möchte das Unternehmen auch leicht an seiner bisherigen Strategie herumschrauben.

Zwar werde das Unternehmen auch in Zukunft an seinem "vertikal-integrierten Geschäftsmodell" festhalten. Nebst der Produktion kontrolliert der Konzern dabei auch die Supply Chain, die Distribution sowie eben mit eigenen Retailern den Verkaufskanal. Allerdings sollen - gerade auch als Antwort auf den sich verändernden Markt - der Faktor Digitalisierung sowie der vereinfachte Zugang der Konsumenten zu den Sonova-Produkten in Zukunft stärkere Beachtung erhalten.

Im Gegensatz zu Bose, die mit ihrem neuen System die Audiologen überflüssig machen möchten, geht das Management von Sonova weiterhin davon aus, dass die Fähigkeiten der Fachkräfte auch in Zukunft gefragt sein werden. "Die digitale Anpassung von Hörgeräten über Distanz wird an Bedeutung gewinnen, die Interaktion mit Hörgerätetechnikern aber nicht vollständig ersetzen", erklärte Grieder vor den Investoren.

Eintritt von Bose als Tabubruch

Ob Sonova mit diesen Ausführungen die Investoren beruhigen kann, muss sich nun erst zeigen. Nicht nur die Aktie des Schweizer Herstellers, auch die Anteilsscheine der beiden dänischen Konkurrenten William Demant und GN Store Nord hatten infolge der Bose-Ankündigung in den letzten Wochen deutlich an Wert verloren.

Dabei darf laut Analysten nicht vergessen werden, dass der Eintritt von Bose in den Hörgerätemarkt eine Art Tabubruch ist. So wurde das Geschäft bisher von Firmen kontrolliert, die sich selbst als Medtechunternehmen sehen. Neu wagt nun ein Unterhaltungselektronikhersteller den Eintritt in den Markt.

Für eine gewisse Verunsicherung sorgte am Berichtstag in Händlerkreisen ausserdem, dass das Management anlässlich des Investorentags nur die Mittelfristziele, nicht jedoch die diesjährigen Zielvorgaben bestätigte. Die Aktien des Unternehmens rutschten am Vormittag nach einem deutlich positiven Start daher kurzzeitig in die Verlustzone ab.

Sonova in der "Quiet Period"

Das Unternehmen selbst erklärte dazu gegenüber AWP allerdings, dass man sich in der "Quiet Period" befinde und deshalb keine Angaben zur Guidance 2018/19 mache. Die Sonova-Aktien waren am Dienstag mit einem Minus von 2,4 Prozent der einzige Verlierer bei den Blue Chips.

Für die Performance der Aktien in den nächsten Tagen könnte entscheidend sein, wie das gesamte Portfolio an Produktneuheiten aller Sonova-Marken auf dem EUHA-Kongress in Hannover aufgenommen wird. Dieser dauert vom 17. bis zum 20. Oktober und gilt als wichtiger Gradmesser in der Branche.

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