Es gebe zu wenig Fortschritte in den Verhandlungen über das Abkommen zu den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der EU und der Schweiz, erklärte EU-Kommissar Maros Sefcovic am Dienstag nach dem Treffen der Kommission. "Die Kommissare stellten fest, dass es an Fortschritten mangelt, weshalb das Kollegium keine Notwendigkeit sah, eine Entscheidung zu treffen."

Falls die Kommission ihre Haltung nicht noch ändere, ende der sogenannten Äquivalenzstatus der Schweizer Börsen am 30. Juni automatisch, sagte Sefcovic. Setzt die Union die Drohung um, dürfen Banken und Vermögensverwalter aus der EU an der Schweizer Börse nicht mehr handeln, weil die Schweizer Börsenregulierung nicht mehr als gleichwertig zur eigenen anerkannt würde.

"Die Schweiz erfüllt alle Bedingungen für eine unbefristete Börsenäquivalenz", erklärte eine Sprecher der Schweizer Regierung. Falls diese nicht verlängert werde, werde die Schweiz die bereits beschlossenen Maßnahmen zum Schutz des Schweizer Finanzplatzes aktivieren. Ein Vertreter der des Börsenbetreibers SIX erklärte, die von der Regierung angekündigten Schritte würden sicherstellen, dass EU-Marktteilnehmer weiter Schweizer Aktien handeln können. "Für uns hat weiterhin das Erreichen der dauerhaften Äquivalenzanerkennung höchste Priorität."

Der SIX könnte bei einem Entzug des Äquivalenzstatus mehr als die Hälfte des Handelsvolumens wegbrechen. Um dem vorzubeugen, beschloss die Schweizer Regierung Ende 2018 vorsorglich Schutzmaßnahmen: Diese sehen vor, dass den EU-Börsen mittels Notrecht untersagt wird, Schweizer Aktien zu handeln. Wenn sich die ausländischen Handelsplätze daran halten, dürfte die SIX zumindest vorübergehend deutlich mehr Volumen anziehen. Denn nahezu ein Drittel des Volumens mit Schweizer Aktien wird gegenwärtig auf anderen Plattformen wie CBOE Europe, Turquoise oder Aquis abgewickelt. Mit einem Handelsumsatz von umgerechnet rund 1,2 Billionen Euro ist die SIX der viertgrößte Handelsplatz in Europa.

BÖRSE IN POLITISCHER GEISELHAFT?

Hintergrund des Schlagabtauschs ist eine politische Auseinandersetzung, die mit der Börsenäquivalenz eigentlich gar nichts zu tun hat. Die Schweiz will das Rahmenabkommen, das während fast fünf Jahren ausgehandelt wurde, vorerst nicht unterzeichnen und riskiert damit, seinen größten Handelspartner vor den Kopf zu stoßen. Einem EU-Diplomaten zufolge hat die harte Haltung Brüssels auch mit den Verhandlungen über das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU zu tun. Eine nachsichtige Herangehensweise im Streit mit der Schweiz könnte London ermutigen, weichere Brexit-Bedingungen anzustreben.

"Unsere Türen stehen weiterhin offen, um das Abkommen vor Ablauf des Mandats dieser Kommission abzuschließen", sagte Sefcovic am Dienstag. Gleichzeitig betonte der EU-Kommissar, dass der Vertragsentwurf für das Rahmenabkommen nicht geändert werden könne. Das Mandat der Kommission endet am 31. Oktober.