SAINT-OUEN-SUR-SEINE/MONTREAL (dpa-AFX) - Unter den großen Zugherstellern bahnt sich aus der Not heraus ein milliardenschwerer Zusammenschluss an. Der französische Hersteller Alstom spricht mit seinem kriselnden kanadischen Rivalen Bombardier über den Kauf von dessen Zugsparte, die in Berlin sitzt und in Deutschland tausende Mitarbeiter beschäftigt. Die Franzosen bestätigten am Montagmorgen Gespräche mit den Kanadiern, über die das "Handelsblatt" und andere Medien zuletzt bereits berichtet hatten.

An der Börse in Paris kamen die Nachrichten gut an. Der Kurs der Alstom-Aktie stieg am Morgen um 2,03 Prozent auf 49,59 Euro. Sie hatte bereits nach den ersten Gerüchten über den Deal vergangene Woche merklich zugelegt. Für die Bombardier-Aktie ging es auf der Handelsplattform Tradegate hingegen um 1,4 Prozent abwärts.

Bombardier ist finanziell schwer angeschlagen. Probleme im Zuggeschäft rissen den Konzern 2019 tief in die roten Zahlen. Um zu Geld zu kommen, stieg der Konzern vergangene Woche bereits bei dem gemeinsam mit Airbus gebauten Kurz- und Mittelstreckenjet Airbus A220 aus.

Die Kanadier hatten den Flieger unter dem Namen Bombardier C-Serie für mehr als sechs Milliarden US-Dollar selbst entwickelt, sich dabei aber finanziell verhoben. Airbus hatte schon 2018 gut die Hälfte der Anteile an dem Projekt übernommen und vermarktet die Maschine seither unter dem Namen A220.

Die Bombardier-Führung sucht derzeit nach weiteren Möglichkeiten, den Schuldenberg des Konzerns abzutragen. Ein großer Schritt könnte der Verkauf des Zuggeschäfts sein. Das "Handelsblatt" hatte bereits vergangene Woche unter Berufung auf Branchenkreise von dem Vorhaben berichtet und einen Kaufpreis von sieben Milliarden Euro genannt. Andere Medien nannten sieben Milliarden US-Dollar.

Alstom machte dazu keine Angaben. Die Verhandlungen mit den Kanadiern liefen noch, und es gebe noch keine endgültige Entscheidung, teilte das Unternehmen in Saint-Ouen-sur-Seine mit. Bei dem erwogenen Deal geht es den Angaben zufolge um den Kauf der gesamten Sparte Bombardier Transportation.

Alstom war erst vor einem Jahr an Bedenken der europäischen Wettbewerbskommission mit dem Versuch gescheitert, mit der Zugsparte von Siemens zu fusionieren.

Durch den nun diskutierten Deal mit Bombardier würde ein neuer großer Bahntechnikkonzern mit etwa 15 Milliarden Euro Umsatz entstehen. Bisher konkurrieren die Unternehmen in vielen Bereichen. So baut Alstom unter anderem die bekannten französischen TGV-Hochgeschwindigkeitszüge, Regionalzüge, Metros und Straßenbahnen, bietet aber auch technische Lösungen für Schienen- und Signaltechnik an.

Bombardier ist mit seinen Zefiro-Hochgeschwindigkeitszügen in China und Italien im Geschäft. Auch Schienen- und Signaltechnik, Regionalzüge sowie U- und Straßenbahnen kommen von dem kanadisch-deutschen Hersteller, der auch an den ICE-Zügen von Siemens mitarbeitet.

Ärger gab es zuletzt mit den neuen Intercity-Zügen von Bombardier. Die Deutsche Bahn gab Ende Januar bekannt, dass sie 25 Exemplare wegen technischer Mängel nicht abnehmen werde. Offensichtlich gibt es Probleme mit der Software des Zugbetriebssystems. Auch beim Flagschiff ICE 4 gab es Produktionsmängel, Siemens verwies bei dem Fehler ebenfalls auf Bombardier./stw/nas/jha/