NÜRNBERG (awp international) - Ein Dämpfer, aber keine Krise: So wertet die Bundesagentur für Arbeit (BA) die neuen Arbeitslosenzahlen. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist trotz leicht gesunkener Arbeitslosenzahlen die konjunkturelle Abkühlung spürbar. Im Juni ist die Zahl der Erwerbslosen nur noch wenig zurückgegangen, wie BA-Chef Detlef Scheele am Montag in Nürnberg berichtete. Die Bundesagentur für Arbeit zählte 20 000 Arbeitslose weniger als im Mai und 60 000 weniger als ein Jahr zuvor. Die Gesamtzahl sank damit auf 2,216 Millionen. Die Arbeitslosenquote blieb unverändert bei 4,9 Prozent.

"Die schwächere konjunkturelle Entwicklung hinterlässt leichte Spuren auf dem Arbeitsmarkt", sagte Scheele. "Die Zahl der gemeldeten Stellen geht auf hohem Niveau zurück und das Beschäftigungswachstum verliert an Dynamik."

Die schlechten Nachrichten der vergangenen Wochen aus grossen Industriefirmen spiegeln sich in den neuen Zahlen noch nicht wider. Doch wird die Nachfrage der Unternehmen nach neuen Mitarbeitern merklich schwächer. Im Juni waren 798 000 offene Stellen bei der Bundesagentur gemeldet, 8000 weniger als ein Jahr zuvor.

Auswirkungen hat das vor allem auf die Chancen der Menschen am unteren Ende der Einkommenskala: "Wir sehen die konjunkturelle Eintrübung, wenn es um den Beschäftigungsabbau geht, gegenwärtig vorrangig in der Zeitarbeit", sagte Scheele. Bemerkbar macht sich das nach den Worten des BA-Chefs in zweierlei Hinsicht: Zugang in Arbeitslosigkeit und ein "nicht mehr so guter Abgang" aus der Grundsicherung.

In die Alltagssprache übersetzt: Es ist für Hartz IV-Empfänger schwieriger geworden, einen Job zu finden. "Die Zeitarbeit war natürlich immer ein Arbeitgeber, der auch Menschen aufgenommen hat, die es nicht so einfach haben und die vielleicht keine Ausbildung haben", sagte Scheele.

Ungeachtet der schlechteren wirtschaftlichen Entwicklung ist die Zahl der arbeitenden Menschen weiter gestiegen und lag nach aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes im Mai bei 45,28 Millionen Erwerbstätigen - das waren 21 000 mehr als im Vormonat, im Vergleich zum Vorjahr waren es 462 000 mehr. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil verbreitete dementsprechend eine eher entspannte Sicht der Dinge: "Der Arbeitsmarkt zeigt sich auch in diesem Monat von seiner robusten Seite, auch wenn sich die nachlassende konjunkturelle Entwicklung bemerkbar macht", erklärte der SPD-Politiker in Berlin.

Der Anstieg basiert laut BA weitgehend auf einer höheren Zahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer. Insgesamt hatten laut Hochrechnung der BA im April 33,38 Millionen Menschen einen regulären Job. Saisonbereinigt war das von März auf April ein Plus von 38 000.

Doch hat in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe prominenter Unternehmen Stellenkürzungen für die nächsten Monate und Jahre angekündigt. So will der US-Autohersteller Ford 5400 Stellen in Deutschland streichen, Thyssenkrupp 4000, die BASF 3000, Siemens 1400. In der Arbeitslosenstatistik ist davon noch nichts zu sehen. "Das geht ja immer nicht so schnell, weil es da Kündigungsschutztatbestände gibt, die eine gewisse Zeit brauchen", sagte Scheele.

Die Bundesagentur bereitet sich derzeit vor allem auf einen Anstieg der Kurzarbeit in der Autoindustrie vor. Der Auslöser: Bei den Arbeitsagenturen wird vermehrt entsprechende Beratung angefragt. "Das ist in erster Linie in den Bundesländern mit grossem verarbeitenden Gewerbe, vorrangig aus der Automobilwirtschaft, also Bayern, Baden-Württemberg, teilweise rund um Wolfsburg, da sehen wir solche Phänomene", meinte der BA-Chef.

Doch bedeutet das, dass nun Alarmstimmung in der Bundesagentur ausgebrochen ist? Nein. Scheele sieht eine grundlegend andere Situation als zu Zeiten der internationalen Finanzkrise vor zehn Jahren: "Wir gehen zur Zeit davon aus, (...) dass sich diese konjunkturelle Eintrübung über drei, vier Quartale hinzieht und es dann wieder anzieht."

Sofern die Weltwirtschaft also keine Talfahrt antritt, könnte die Schwächephase am Arbeitsmarkt im nächsten Jahr beendet sein. "Eigentlich haben wir eine ganz normale konjunkturelle Phase", sagte Scheele. "Wir sehen ja keine eklatante Krise wie 2008 oder 2009."/cho/DP/fba