MÜNCHEN (awp international) - Der Technologiekonzern Siemens will sich mittelfristig von seinen Energiegeschäften trennen und sich auf die Digitalisierung konzentrieren. Seine neu zum 1. April formierte Energiesparte Gas and Power will das Unternehmen ausgliedern und bis 2020 an die Börse bringen. In der Sparte ist auch das seit längerem schwächelnde Kraftwerksgeschäft enthalten. Siemens geht dabei jedoch noch einen Schritt weiter: Darüber hinaus will der Konzern seinen Mehrheitsanteil von 59 Prozent an dem Windradhersteller Siemens Gamesa in die neue Gesellschaft einbringen, teilte Siemens am Dienstagabend mit.

Dabei will Siemens die Mehrheit an dem neuen Unternehmen abgeben aber starker Ankeraktionär bleiben. Der Anteil soll anfänglich bei etwas weniger als 50 Prozent liegen und auf Sicht die Sperrminorität nicht unterschreiten. Über die Abspaltung und spätere Börsennotierung soll eine ausserordentliche Hauptversammlung voraussichtlich im Juni 2020 entscheiden. Gas and Power umfasst die Aktivitäten in den Bereichen Öl und Gas, konventionelle Energieerzeugung, Energieübertragung und die jeweils dazugehörigen Servicegeschäfte. Siemens werde dabei sowohl Gas and Power als auch Siemens Gamesa dekonsolidieren.

"Durch die Kombination des Leistungsspektrums der konventionellen Erzeugung mit der Stromversorgung durch Erneuerbare Energien decken wir die Nachfrage der Kunden vollständig ab", sagte Konzernchef Joe Kaeser laut Mitteilung. Er sei überzeugt, dass die Entscheidung für alle Seiten positiv sei. "Die Eigenständigkeit gibt uns jetzt mehr Freiheit und Flexibilität", kommentierte die Chefin von Gas and Power, Lisa Davis, die Entscheidung.

Kerngeschäfte von Siemens werden dabei künftig die Sparten Digital Industries sowie Smart Infrastructure. Flankiert werden sie von der börsennotierten Mehrheitsbeteiligung Siemens Healthineers sowie der Bahntechnik, welches als Wachstumsgeschäft ebenfalls gestärkt werden soll.

Die strategische Neuausrichtung ist Teil des Programms "2020+", welches Siemens in Grundzügen bereits im vergangenen Sommer vorgelegt hatte und mit dem der Konzern Wachstum und Profitabilität ankurbeln will. Damit sollen mittelfristig die jährliche Wachstumsrate des Umsatzes und die Gewinnmarge des Industriellen Geschäfts um jeweils zwei Prozentpunkte steigen. Das Ergebnis je Aktie soll mittelfristig stärker wachsen als der Umsatz. Langfristig soll die Gewinnmarge des Industriellen Kerngeschäfts 14 bis 18 Prozent erreichen.

Dazu will Siemens Kosten sparen. Wie bereits angekündigt, sollen zentrale Konzernfunktionen wie die Verwaltung dezentralisiert und schlanker aufgestellt werden. Dies bedeutet einen Abbau von rund 2500 der insgesamt etwa 12.500 Arbeitsplätze in diesen Zentralfunktionen bis 2023, wie Siemens weiter mitteilte. Die in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten bezifferte Siemens auf 400 Millionen Euro. Bis 2023 will der Konzern durch Effizienzsteigerungen die Kosten um rund 2,2 Milliarden Euro senken. Das bereits bekannte Sparprogramm in der Kraftwerkssparte von 500 Millionen Euro ist darin bereits enthalten. Insgesamt sollen damit 10 400 Stellen abgebaut werden. Gleichzeitig plant Siemens jedoch die Schaffung von 20 500 neuen Stellen./nas/he