(Neu: Details aus der Telefonkonferenz, Aktienkurs)

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der Elektrokonzern Siemens hat den Startschuss für einen Börsengang seines Medizintechnikgeschäfts gegeben. Im kommenden Jahr soll es soweit sein, teilte das Unternehmen am Donnerstag gemeinsam mit den Zahlen für das dritte Geschäftsquartal mit. Während hier nun nach einer monatelangen Hängepartie endlich Klarheit herrscht, lässt sich Siemens-Chef Joe Kaeser bei einer möglichen Konsolidierung des Zuggeschäfts weiterhin nicht in die Karten schauen. Sicher ist nur, dass er die europäische Branche unter Zugzwang sieht.

Die Investoren konnte Siemens damit nicht begeistern. Die Aktie verlor am Vormittag 2,8 Prozent auf 112,80 Euro. Einige Markteilnehmer kritisieren den Zeitpunkt für den Medizintechnikbörsengang als zu spät - sie hatten wohl noch auf dieses Jahr gehofft. Zudem konnten die Quartalszahlen nicht überzeugen und wurden als "enttäuschend" bezeichnet.

IPO VON MEDIZINTECHNIK IN ERSTER JAHRESHÄLFTE 2018

Die Medizintechnik-Sparte soll im ersten Halbjahr 2018 an die Börse gebracht werden, auf dem klassischen Weg eines IPO (Initial Public Offering). Siemens hatte Ende 2016 angekündigt, eine Börsennotierung für das Geschäft anzustreben. Wie und wann war bislang noch offen. Alternativ hätte Siemens die Anteile über eine Abspaltung (Spin-Off) einfach an die Aktionäre geben können. So hatte Siemens das bei Osram gemacht. An welcher Börse die Aktie künftig gelistet sein wird, in Deutschland oder doch den USA, ist noch nicht entschieden.

Fix ist allerdings, dass Siemens nur einen Minderheitsanteil an die Börse bringen will, wie der zuständige Vorstand Michael Sen in einer Telefonkonferenz sagte. "Wir werden auch mittelfristig die Führung behalten." Zum Zeitpunkt erklärte Sen: "Natürlich weiß ich, dass sich manche von Ihnen fragen, warum diese Entscheidung so lange auf sich warten ließ." Der Grund liege darin, dass alle dafür nötigen Themen nun "den erforderlichen Reifegrad" aufwiesen. "Der Zeitplan steht. Die Schritte sind definiert. Wir haben eine auf Wachstumsfelder ausgerichtete, nachhaltige Strategie, um auch mittelfristig eine marktführende Position zu sichern." Der Börsengang solle die nötigen Mittel für Wachstum und Akquisitionen in die Kassen spülen.

KAESER FORDERT STARKE NUMMER ZWEI IM ZUGGESCHÄFT

Während damit der weitere Weg für das Medizintechnikgeschäft vorgezeichnet ist, ist die weitere Entwicklung im Zuggeschäft noch offen. Siemens-Chef Kaeser signalisierte jedoch erneut, dass er die europäische Branche unter Zugzwang sieht. "Natürlich wird man eine starke Nummer zwei bauen müssen", sagte er in der Telefonkonferenz. Aber ob das jetzt schnell und mit wem es passiere, "da würde ich jetzt nicht auf kurzfristige Dinge wetten".

Mit dem Zusammenschluss der beiden größten chinesischen Zughersteller zum neuen Riesen CRRC war der Preis- und Kostendruck in der Branche massiv gewachsen. Hinzu komme eine angespannte Haushaltslage in zahlreichen Ländern, die deshalb Investitionen verschieben. Seit geraumer Zeit halten sich daher Spekulationen, dass Siemens mit dem kanadischen Zughersteller Bombardier eine weitreichende Allianz schmieden könnte.

Dabei könnte ein Modell zum Tragen kommen, in dem die Signaltechnik in ein Gemeinschaftsunternehmen unter der Führung von Siemens und die Zugherstellung in ein anderes Joint Venture unter der Federführung von Bombardier ausgegliedert wird. Kaeser wollte sich dazu nicht äußern.

AUFTRAGSDELLE IM DRITTEN QUARTAL

Die jüngsten Geschäftszahlen im Konzern fielen durchwachsen aus. Zwar konnte der Konzern Umsatz und Gewinn im vergangenen Quartal steigern, erlitt jedoch wegen Rückgängen im Windgeschäft Siemens Gamesa und in der Stromerzeugungssparte Power and Gas eine Delle von 6 Prozent bei den Aufträgen. Laut Finanzvorstand Ralf Thomas erwarte Siemens für das Schlussquartal aber wieder einen "guten" Auftragseingang.

Der Umsatz wuchs um 8 Prozent auf 21,4 Milliarden Euro, auch dank der Erstkonsolidierung von Siemens Gamesa. Vergleichbar - also bereinigt um Währungseffekte und Zu- und Verkäufe stieg der Umsatz um 3 Prozent. Das Ergebnis im industriellen Geschäft verbesserte sich um 3 Prozent auf 2,25 Milliarden Euro. Die Marge im Industriegeschäft ging allerdings unter anderem wegen Belastungen im Zuge der Übernahme von Mentor Graphics zurück.

Unter dem Strich verdiente Siemens mit knapp 1,5 Milliarden Euro 7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Gut entwickelten sich etwa die Bereiche Digitale Fabrik, Gebäudetechnik, das Zuggeschäft sowie die Medizintechnik. Federn lassen musste das Stromerzeugungsgeschäft Power and Gas, ein Umstand, der sich auch im Schlussquartal nicht ändern wird. Das Geschäft leidet unter Überkapazitäten und Preisdruck.

JAHRES-PROGNOSE BEKRÄFTIGT

Die Prognose bekräftigte Siemens. Die Marge der Industriegeschäfte soll weiter zwischen 11 und 12 Prozent landen, das Ergebnis je Aktie innerhalb einer Bandbreite von 7,20 Euro bis 7,70 Euro liegen, was einem Konzerngewinn von bis zu 6,5 Milliarden Euro entsprechen würde. Der Umsatz soll aus eigener Kraft leicht wachsen.

Wie Siemens weiter mitteilte, wurde Kaesers 2018 auslaufender Vertrag vorzeitig um zweieinhalb Jahre bis 2021 verlängert. Damit will Siemens sicherstellen, dass Kaeser die 2014 implementierte mittelfristige strategische Neuausrichtung bis 2020 auch zu Ende bringen kann./nas/jha/stb