FRANKFURT (dpa-AFX) - Ob Bayer, Siemens oder Eon: In Deutschland haben zuletzt viele Dax-Konzerne einzelne Sparten verkauft oder an die Börse gebracht. "Der Trend zu Abspaltungen wird anhalten", sagte Christoph Stanger, Co-Leiter des Aktienemissionsgeschäfts bei der Investmentbank Goldman Sachs in Europa, vor Journalisten in Frankfurt - für die Berater ein lukratives Geschäft.

Auch Finanzinvestor drängen immer mehr Unternehmen in Deutschland zu einem solchen Schritt. So setzt der Finanzinvestor Cevian zurzeit Thyssenkrupp mächtig unter Druck, Teilverkäufe auf den Weg zu bringen. Konzern- und Aufsichsichtsratschef nahmen ihren Hut. Siemens-Chef Joe Kaeser verfolgt einen großangelegten Abspaltungskurs, ohne unmittelbar von einem aktivistischen Investor unter Druck gesetzt zu werden. Beobachter vermuten aber, dass Kaeser damit nicht zuletzt möglichen Aktivisten-Angriffen zuvorkommen will.

Aus Stangers Sicht sprechen drei Gründe dafür, dass es weitergeht mit den Aufspaltungen. Der erste dreht sich um die Bewertung am Kapitalmarkt. Der Vorteil an der Ausgliederung einer wachstumsstarken Tochter sei, dass diese gemessen an ihrem Gewinn einen höheren Börsenwert bekomme, als er der wachstumsschwachen Mutter beigemessen werde. Der Verkauf einer langsam wachsenden und dadurch im Verhältnis zum Gewinn niedriger bewerteten Tochter könne umgekehrt dem Mutterkonzern zu einem höheren Kurs-Gewinn-Verhältnis verhelfen.

Der zweite Grund: Unabhängige Unternehmen können freier und flexibler agieren, als sie es als Sparten im Konzern könnten - zumindest dann, wenn das Geschäft nichts mit der Muttergesellschaft zu tun hat. "Das ist auch nötig, weil das Wettbewerbsumfeld über alle Branchen hinweg so hart ist wie noch nie, angetrieben durch neue Technologien, Billiganbieter und Konkurrenz aus Asien", sagte der Investmentbanker.

Drittens gehe es darum, die Interessen der Führungsmannschaft in Einklang mit denen des Unternehmens zu bringen. "Die Top-Manager unabhängiger Unternehmen sind in der Regel stärker am Erfolg beteiligt, als sie es als Spartenchefs sind", sagte Stanger. Die abgespaltene Gesellschaft könne beim Vorstand durch Aktien gezielt Anreize schaffen, so dass die Motivation steige, für die Anteilseigner das meiste herauszuholen. "Führe ich eine Sparte im Konzern, die nicht das Kerngeschäft ist, dann spüre ich den Erfolg oder Misserfolg meines Bereichs dagegen meist weniger deutlich", erklärte er.

Der Aufstieg aktivistischer Aktionäre ist für Stanger ein wichtiger Katalysator der Entwicklung hin zum schlanken Konzern. In diesem Jahr zählt Goldman in Europa bisher 19 Kampagnen bei Konzernen im Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar. 2017 waren es in den gesamten zwölf Monaten 26, und auch das war ein Allzeithoch. "Für aktivistische Investoren ist die Abspaltung einzelner Bereiche oder eine Zerteilung des Konzerns oft eine der ersten Forderungen", meint Stanger./fba/tos/jha