Das saudische Petrochemieunternehmen Saudi Basic Industries (Sabic) kauft den 25-Prozent-Anteil von aggressiven US-Investoren und wird größter Aktionär der Basler. Clariant ist damit zwar einen unbequemen Aktivisten los, Ruhe dürfte bei dem Konzern dennoch nicht einkehren. Sabic beteuert zwar, "gegenwärtig keine Pläne für eine Vollübernahme von Clariant" zu haben, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Analysten sind aber skeptisch und rechnen damit, dass das Unternehmen aus Riad seinen Anteil erhöhen dürfte.

Mit einem Börsenwert von mehr als 85 Milliarden Dollar ist Sabic fast zehn Mal größer als Clariant. Damit ist die Nummer vier unter den globalen Petrochemiefirmen aber noch nicht zufrieden. In den kommenden fünf Jahren will das Unternehmen drei bis zehn Milliarden Dollar für Zukäufe ausgeben, wie Konzernchef Yousef Al-Benyan im November zur Nachrichtenagentur Reuters sagte. Unklar ist, wie viel Sabic für die Clariant-Beteiligung bezahlt hat. Gemessen am Börsenwert ist der Anteil aber gut zwei Milliarden Franken wert. Die Clariant-Aktien sacken am Donnerstag um sieben Prozent ab. Händler erklärten, viele kurzfristig orientierte Anleger hätten ihre Gewinne eingefahren.

Mit dem Einstieg bei Clariant verstärkt die bisher vor allem in der Basischemie tätige Sabic ihr Spezialchemie-Geschäft. Clariant zählt unter anderem Unternehmen aus der Kosmetik-, Agrochemie und Auto-Branche zu ihren Kunden. "Clariant ergänzt das bestehende Spezialchemiegeschäft von Sabic und entspricht der Strategie von Sabic, neue Wachstumsmöglichkeiten in der Spezialchemie zu eröffnen", erklärte Al-Benyan. Die Verringerung der Abhängigkeit von Erdöl-nahen Geschäften und der Vorstoß in lukrativere Bereiche stehen bei einigen Unternehmen aus Saudi-Arabien auf der Agenda. So kaufte der Staatskonzern Saudi Aramco 2015 eine 50-Prozent-Beteiligung am Geschäft mit synthetischen Kautschuk der deutschen Lanxess.

AMERIKANER LOCKTE DER SCHNELLE GEWINN

Sabic sei im laufenden Jahr an die Amerikaner herangetreten, erklärte eine mit der Sache vertraute Person. Der Konzern sei dabei von den Investmentbanken Credit Suisse und HSBC beraten worden, erklärten zwei andere Insider. Verkäufer sind die New Yorker Unternehmer David Winter und David Millstone einerseits sowie der Hedgefonds-Manager Keith Meister anderseits. Ihre Clariant-Beteiligung hatten sie im Anlagevehikel White Tale gebündelt. White Tale wurde aber kürzlich aufgelöst und die beiden Parteien veräußerten ihre Anteile direkt.

Ihren Anfang nahm die Auseinandersetzung im vergangenen Juli, als White Tale eine Position von gut sieben Prozent an Clariant meldete. In den vergangenen Monaten kaufte die Gesellschaft schrittweise weitere Anteile hinzu und trieb das Management rund um Konzernchef Hariolf Kottmann vor sich her. Ihren größten Erfolg sicherten sie sich im Oktober, als sie die geplante 20-Milliarden-Dollar-Fusion zwischen Clariant und dem US-Rivalen Huntsman zu Fall brachten. White Tale forderte danach auch drei Sitze im Verwaltungsrat und einen Verkauf der umsatzstärksten Division Plastics & Coatings. Die Amerikaner hatten immer wieder betont, dass sie langfristige Investoren seien. Schließlich entschieden sie sich aber offenbar doch für den schnellen Gewinn. Seit Juli hat der Clariant-Aktienkurs um rund ein Drittel zugelegt.

Ob Sabic ein "weißer Ritter" für die Schweizer ist, bleibt abzuwarten. Die Saudis sind jetzt schon ein bedeutender Kunde von Clariant und Analysten erwarten, dass die Firmen ihre Zusammenarbeit ausbauen dürften. Clariant werde in den kommenden Wochen die neue Situation mit Sabic erörtern und mögliche Wege zur Werte zu schaffen, hieß es.

Ob das zu einer schrittweise Übernahme von Clariant führe, werde sich zeigen, erklärte Analyst Christian Faitz von Kepler Cheuvreux. Sein Kollege Markus Mayer von Baader Helvea beurteilt die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen geschluckt wird, auf über 70 Prozent. "Sabic ist nicht dafür bekannt, sich mit Minderheitsanteilen zufrieden zu geben", erklärte er. Entsprechend rechnet der Analyst damit, dass die Saudis zuerst die 14 Prozent-Beteiligung der deutschen Süd-Chemie Familien übernehmen und dann den Rest.