WALLDORF (dpa-AFX) - Europas größter Softwarehersteller SAP hat seinen Anlegern vor einigen Monaten endlich eine langfristige Marschrichtung bei der operativen Marge vorgegeben. Das befeuerte den Aktienkurs - doch die Enttäuschung folgte auf dem Fuße, nämlich mit den jüngsten Quartalszahlen. Was bei SAP los ist, was die Analysten sagen und wie die Aktie zuletzt lief.

LAGE DES UNTERNEHMENS:

SAP-Chef Bill McDermott hatte mit den Zahlen zum ersten Quartal im April den Investoren einen langfristigen Aufwärtstrend bei der lange so unter Druck stehenden operativen Marge versprochen. Diese war einst das Aushängeschild des Konzerns. Mit dem Schwenk zur wachstumsträchtigen Cloudsoftware aus dem Internet sank sie allerdings mehrere Jahre in Folge, weil bei Mietsoftware die großen Einmalzahlungen wegfallen und die Produkte erst mit der Zeit aufholen. Nun soll es fünf Jahre in Folge aufwärts gehen mit der Profitabilität, jedes Jahr im Schnitt um einen Prozentpunkt.

McDermott muss nach seiner Ansage nun unter Beweis stellen, dass sich die milliardenschweren Zukäufe der vergangenen Jahre auszahlen und das Cloudgeschäft die versprochenen Gewinne auch einfahren kann. Das gelang aber im zweiten Quartal nur in Teilen. Zwar legte die Bruttomarge im Cloudgeschäft stark zu, aber auf Konzernebene stagnierte die operative Marge nur und fiel damit schwächer aus als von Experten erwartet.

SAP bekam vor allem in Asien im so profitablen Lizenzgeschäft den Handelskrieg zwischen den USA und China zu spüren. Viele Unternehmen hätten derzeit dort andere laufende Großprojekte, etwa zur Verlagerung von Kapazitäten, hieß es. Da verkauft sich neue Software schwerer.

Zudem fiel das Umbauprogramm, mit dem die Walldorfer bis zu 4400 Stellen in bestimmten Bereichen abbauen wollen, bisher deutlich teurer aus als geplant. Zu bereits knapp 900 Millionen Euro im ersten Quartal kamen diesmal noch 200 Millionen Euro hinzu und sorgten zusammen mit höheren Kosten für aktienbasierte Vergütungen für einen deutlichen Rückgang des Gewinns.

Zu möglichen Aktienrückkäufen will sich SAP zudem erst im November näher äußern. Dann will McDermott auch weitere Maßnahmen präsentieren, wie die Marge nachhaltig wachsen soll. Und der Vorstand hat nun jemand im Nacken sitzen, der sich die Pläne genau anschauen wird: Der aktivistische und streitlustige US-Investor Paul Singer mit seinem Hedgefonds Elliott hat sich nach eigenen Angaben mit 1,2 Milliarden Euro bei den Walldorfern eingekauft.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die Ergebnisse zum zweiten Quartal hätten gezeigt, dass die Anleger weiter nervös seien hinsichtlich der Margenentwicklung, schrieb Commerzbank-Analyst Florian Treisch. So schlecht wie es die Aktienkursreaktion andeute, sei das Vierteljahr nicht ausgefallen. Es seien verschiedene Einmaleffekte zusammengekommen, unter anderem Kosten für die Qualtrics-Übernahme. Es sei wohl nicht das beste Quartal gewesen, um die Ambitionen für 2023 zu untermauern. Dass sich das Management diese vorgenommen habe, seien aber exzellente Nachrichten für Investoren.

Die aktuellen Resultate beiseite gelassen profitiere der Konzern von den Upgrades der Kunden auf die neue Programmversion S4 Hana, schrieb Jefferies-Analyst Julian Serafini. Die Ziele für 2023 schienen einfach zu erreichen, weil der Großteil bereits aus dem besser laufenden Cloudgeschäft komme.

Von den 13 Analysten, die sich seit der Vorlage der Quartalszahlen zu SAP geäußert haben, empfehlen denn auch 10 die Aktie zum Kauf. Die 3 restlichen raten zum Halten. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei knapp 133 Euro, rund ein Viertel über dem aktuellen Kursniveau.

DAS MACHTE DIE AKTIE ZULETZT:

Für die Anleger war das ehrgeizige Ziel bei der Marge für die kommenden fünf Jahre zunächst wie ein Befreiungsschlag: Nach der Ankündigung im April hat die SAP-Aktie bis Mitte Juli rund ein Fünftel zugelegt. Kurz zuvor hatte die Aktie mit 125 Euro ein neues Rekordhoch markiert. Doch nach den jüngsten Zahlen ging es wieder deutlich bergab. Inklusive des starken Kursrückgangs am Tag der Quartalsbilanz hat SAP seitdem gut 11 Prozent eingebüßt, der Kurs ist mit gut 106 Euro fast wieder auf dem Niveau vor der optimistischen Ankündigung für die Margenentwicklung der kommenden Jahre.

Beim Marktwert hat SAP das Verfolgerfeld im Dax weiter mit Abstand hinter sich, der Konzern ist mit knapp 129 Milliarden Euro rund 40 Milliarden Euro mehr wert als der Gasehersteller Linde auf Rang zwei. SAP ist an der Börse fast dreimal so viel wert wie der Autobauer Daimler./men/elm/jha/