Eine falsche Klassifizierung von Gefahrgütern birgt Risiken für Gesundheit und Sicherheit. Doch wissen nur wenige Experten, wie man das Portfolio eines großen Unternehmens auf dem neuesten Stand hält. In ihrer intelligenten Supply-Chain-Management-Lösung automatisiert die SAP mit maschinellem Lernen die Gefahrgutklassifizierung und ‑deklaration.

Thermometer enthalten Quecksilber. Düngemittel können sich entzünden. Die Airbags, die bei Unfällen Leben retten, können explodieren, wenn sie nicht in einem Auto verbaut sind. Viele im Alltag unverzichtbare Güter sind als gefährlich eingestuft, was Lagerung und Transport heikel macht. 'Nur wenigen Menschen ist bewusst, von wie vielen Gefahrgütern wir umgeben sind, die für harmlose Zwecke eingesetzt werden', meint Volker Loch von der Abteilung für die chemische Industriebei der SAP. 'Das zeigt, dass die Sicherheitsvorschriften ihren Zweck erfüllen.'

Tatsächlich gelten für chemische Stoffe strenge, komplexe Vorschriften im Hinblick auf Produktsicherheit und Umweltschutz. Extrem wichtig ist allerdings die richtige Klassifizierung und Deklaration von Gefahrgütern. Und es muss sichergestellt werden können, dass sie die Lieferkette sicher und vorschriftenkonform durchlaufen. Der Transport von Gefahrgütern ist in einem komplizierten Regelwerk von nationalen und internationalen Vorschriften geregelt, die für viele Branchen gelten.

'Zwischenfälle, die auf eine mangelnde Klassifizierung von Gefahrgütern zurückzuführen sind, können von bloßen Ärgernissen bis hin zu ausgewachsenen Katastrophen reichen', führt Volker Loch aus. Falsch deklarierte und somit falsch gelagerte Gefahrstoffe können lecken und mit anderen Stoffen in der Nähe reagieren. Im schlimmsten Fall kommt es dann zum Brand. 'Es mussten schon Flugzeuge notlanden, weil sich Stoffe aus einem zerbrochenen Behälter über die Klimaanlage verteilten', erklärt Volker Loch. 'Die Frachtunternehmen kostete das einige Tausend Euro.'

Die chemische Industrie braucht Experten

Es gibt nicht viele Menschen, die sich mit dem Klassifizieren von Gefahrgütern auskennen, und mit steigenden Anforderungen wird es nicht leichter, Fachleute zu finden. Große Unternehmen haben Tausende von Produkten im Portfolio. Wann immer etwas an einem Produkt geändert wird, beginnt das Klassifizierungsverfahren von vorn. 'Die Experten arbeiten bis zur Belastungsgrenze, und im Grunde machen sie immer und immer wieder dasselbe', erzählt Julian Stöttinger, der als Data Scientist im SAP Deep Learning Center of Excellence arbeitet. Es ist nicht einfach, Mitarbeiter für eine solche Aufgabe zu gewinnen - vor allem in den jüngeren Generationen. 'Heute ist es schwierig, Gefahrgutexperten zu finden, weil sich Nachwuchskräfte selten für den Job interessieren. Sie ziehen es vor, nicht mit Gefahrgütern zu arbeiten.'

Für eine ganze Reihe von SAP-Kunden ist es sehr interessant, ihr Fachwissen zu Gefahrgütern und deren Klassifizierung in ein Modell für maschinelles Lernen umzusetzen.

Wie maschinelles Lernen SAP EHS Regulatory Content ergänzt

Mit SAP Environment, Health, and Safety Management (EHS) Regulatory Content unterstützte die SAP-Experten bislang mit einem regelbasierten System bei der Klassifizierung von Gefahrgütern. Angesichts der Komplexität internationaler Vorschriften, branchenspezifischer Ausnahmen und einer riesigen Menge von Fällen ist es jedoch nicht möglich, Regeln für alle bekannten Fälle zu definieren. Hier kommen maschinelles Lernen und Deep Learning ins Spiel.

Das Deep Learning Center of Excellence (CoE) gehört zu SAP Leonardo Machine Learning. Das CoE-Team arbeitet zusammen mit mehreren Produktteams bei der SAP an verschiedenen Anwendungsfällen, um mit maschinellem Lernen bestehende Lösungen noch leistungsfähiger zu machen. Zusammen mit dem für SAP EHS Regulatory Content zuständigen Entwicklungsteam entwickelte das Team des CoE zwei Erweiterungen für SAP S/4HANA für Produktkonformität:

  • Der Chemical Substance Group Classifier ordnet Stoffe richtig in Stoffgruppen ein, um eine sichere Einhaltung der Vorschriften zu erreichen. Das Deep Learning CoE entwickelte ein Deep-Learning-Modell für die wichtigsten Stoffgruppen, dem vorhandene Stoffgruppenzuordnungen aus SAP EHS Regulatory Content zugrunde gelegt wurden. Für eine Stoffbezeichnung können über 300 Stoffgruppen vorgeschlagen werden.
  • Der Dangerous Goods Classifier unterscheidet zwischen Gefahrgütern und Nichtgefahrgütern. Diese Erweiterung erkennt auch alle relevanten Gefahren, die von Gefahrgütern ausgehen, und legt damit das Fundament für die endgültige Klassifizierung durch Experten und für eine höhere Produktkonformität. In ihre Entwicklung flossen die Daten aus den vorhandenen Gefahrgutklassifizierungen für Produkte in SAP EHS Regulatory Documentation ein. Zudem werden je nach Vorschrift verschiedene Klassifizierungen erkannt, etwa für bestimmte Regionen oder Transportmittel.

SAP-Kunde Merck strebt im Rahmen eines Co-Innovationsprojektes mit SAP die automatisierte Klassifizierung von Gefahrgütern an. 'Unser Sortiment umfasst beinahe eine Million chemischer Produkte,' erklärt Andreas Ehlers, Head of Digital Transformation, Hazard Communication & Chemical Regulations bei Merck Life Science. 'Zur Zeit verwenden wir für die Klassifizierung einen manuellen Ansatz, der bei der grossen Anzahl von Produkten einen hohen Aufwand für uns bedeutet. Die Implementierung einer regelbasierten Einstufund wird derzeit evaluaiert, erfordert jedoch einen einen hohen Konfigurationsaufwand des bestehenden Systems. Wir wünschen uns eine bessere Automatisierung, das macht maschinelles Lernen für uns so interessant.'

Doch nicht nur neue oder modifizierte Produkte sollen vom Dangerous Goods Classifier überprüft werden. 'Wir planen, die Lösung zur Überprüfung aller unserer von Menschen erstellten Produktklassifikationen zu nutzen,' sagt Andreas Ehlers. Derzeit erweitern die Experten von SAP das ML-Modell mit den Daten von 300.000 Merck Life Science-Produkten. Dadurch wird Merck schließlich eine auf ihre Produktpalette abgestimmte Software erhalten, aber auch alle anderen Kunden werden von den neuen Fähigkeiten des Modells profitieren. 'Die Klassifizierung soll nicht komplett automatisiert werden, diese Verantwortung darf und kann eine Maschine nicht übernehmen. Aber Klassifizierungsvorschläge von einem intelligenten Assistenten zu erhalten, wird uns viel Arbeit ersparen. Die Qualität der Klassifizierungen wird durch automatische Kontrollen erhöht.'

Maschinelles Lernen eröffnet der chemischen Industrie neue Möglichkeiten

Der Dangerous Goods Classifier unterstützt Experten bei ihrer täglichen Arbeit, sodass sie mehr Zeit für die komplizierten Fälle haben. Mit einer Klassifizierungsgenauigkeit von 99,8 Prozent dient die Lösung als zweite Kontrollinstanz bei der Gefahrgutklassifizierung. 'Im Prinzip verbessert die Lösung das menschliche Urteilsvermögen, und sie kann in komplexen Situationen menschliche Fehler korrigieren', erklärt Julian Stöttinger von der SAP. 'Die Anwendung von Modellen für maschinelles Lernen ermöglicht eine erheblich bessere Konformität chemischer Produkte - und vermindert Gesundheits- und Umweltrisiken. '

Mit der Integration von maschinellem Lernen versetzt SAP S/4HANA für Produktkonformität nicht nur Unternehmen der chemischen Industrie in die Lage, bessere und sicherere Produkte zu entwickeln, sondern schafft auch einen Freiraum, in dem sich die Mitarbeiter auf Aufgaben konzentrieren können, in denen sie die den Menschen eigene Kreativität und Problemlösungskompetenz ausleben können.

SAP SE veröffentlichte diesen Inhalt am 22 Oktober 2018 und ist allein verantwortlich für die darin enthaltenen Informationen.
Unverändert und nicht überarbeitet weiter verbreitet am 22 Oktober 2018 08:08:03 UTC.

Originaldokumenthttps://news.sap.com/germany/2018/10/ml-gefahrgueter/

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