"Das Thema Arbeitszeit wird eine der großen Herausforderungen im Wahljahr", sagte der bayerische Gewerkschaftschef Jürgen Wechsler im Reuters-Interview. "Den Unternehmen steht ein Kulturwandel bevor. Es muss neu geordnet werden, wer über die Flexibilität bestimmt, weil die Beschäftigten das wollen." Eine gesetzliche Lockerung der Arbeitszeit von höchstens zehn Stunden pro Werktag will Wechsler verhindern: "Wir lehnen kategorisch ab, wegen der Digitalisierung die Höchstgrenzen im Arbeitszeitgesetz aufzuheben." Das übliche unbefristete, feste Arbeitsverhältnis mit festgelegten Arbeitszeiten, Entlohnung und Urlaub müsse trotz allen Wandels in einer immer stärker digitalisierten Arbeitswelt die Regel bleiben. "Das Modell ist die Grundlage für demokratische Industriegesellschaften. Es muss ein Zusammenspiel von Unternehmern mit Rechten und Pflichten und der Arbeitnehmerschaft mit Rechten und Pflichten bleiben, und zwar gleichberechtigt."

FLEXIBILITÄT SOLLEN NICHT NUR UNTERNEHMER BESTIMMEN

Um ihre Forderung zu unterfüttern, plant die Gewerkschaft Anfang kommenden Jahres eine Befragung unter 140.000 Beschäftigten. "Die Flexibilität wird der Unternehmer nicht mehr selbst bestimmen. Das wird sich ändern", kündigte Wechsler an. "Es geht nicht darum, die Arbeitszeit generell zu verkürzen. Es geht um das Zurückerkämpfen der Selbstbestimmung der Arbeitnehmer. Dabei nutzt uns auch die Demografie. In Zeiten, in denen Arbeitskräfte gesucht werden, ergeben sich andere Notwendigkeiten als in Zeiten von Massenarbeitslosigkeit." Er verwies auf eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), wonach eine Milliarde Überstunden gar nicht mehr erfasst und vergütet werden.

Die Forderungen sollen sich konkret in den Betrieben niederschlagen. "Wir brauchen eine Stärkung der Mitbestimmung. Wir brauchen ein Initiativrecht des Betriebsrats und der Beschäftigten für die Gestaltung von Arbeitszeiten", sagte Wechsler. "Es ist auch eine klare Forderung von uns an die Politik, dass es einen Rechtsanspruch darauf gibt, von Teilzeit auf Vollzeit zurückzuwechseln."

GUTE ERFAHRUNGEN MIT CHINESEN

Eine Änderung des Mitbestimmungsrechts könnte die Position der Arbeitnehmer auch im Fall von Firmenübernahmen stärken, wie sie zuletzt häufig aus China betrieben werden. "Man könnte auch das Mitbestimmungsrecht ändern und festlegen, dass bei einem Verkauf zwei Drittel des Aufsichtsrats zustimmen müssen." Damit könnten die Arbeitnehmervertreter nicht mehr von den Kapitalvertretern im Kontrollgremium überstimmt werden. Wechsler betonte, dass Kaufinteressenten aus China nicht per se gefährlich für deutsche Belegschaften seien. "Wir haben gute Erfahrungen gemacht bei Kuka, LEDvance und auch Kion. Sie investieren, sie halten sich an alle Vereinbarungen, sie wollen keine Tarifflucht, sie wollen den Betriebsrat nicht bekämpfen." Der Fall Osram habe sich generell gegen eine Übernahme gerichtet, die Herkunft der inzwischen verscheuchten Investoren aus China habe dabei keine Rolle gespielt.

Unternehmen in diesem Artikel : SANAN OPTOELECTRONICS CO.,LTD, Osram Licht AG