MÜLHEIM-KÄRLICH (dpa-AFX) - Am Ende ging es ganz schnell: Der Kühlturm des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich ist Geschichte. Das einst über 160 und zuletzt noch rund 80 Meter hohe Betonkonstrukt stürzte am Freitag wie geplant in sich zusammen. Zuvor hatten zwei ferngesteuerte Bagger - einer mit einem Meißel und einer mit einer Zange - mehrere von insgesamt 72 Stützen am unteren Ende des Turms weggerissen. In den Tagen zuvor hatten ihn Experten bereits gezielt geschwächt und Schlitze in den Beton gesägt.

Mit dem Kühlturm, der früher sogar den Kölner Dom überragte, verschwindet das auffälligste Bauwerk des 1988 nach nur 13 Monaten Laufzeit stillgelegten 1300-Megawatt-Reaktors am Rhein nördlich von Koblenz. Die obere Turmhälfte hatte seit Sommer 2018 ein eigens dafür konstruierter Abrissbagger mit einer Zange samt Zacken regelrecht "abgeknabbert". Er arbeitete sich langsam auf der Mauerkrone des Turms entlang. Im unteren Teil des Turmes konnte er nicht weiterarbeiten, da die Neigung zu groß wurde. Eine Sprengung des Turmrests war nach RWE-Angaben unter anderem wegen der Nähe zum noch stehenden Reaktorgebäude nicht infrage gekommen.

Zum finalen Schritt des Kühlturm-Abrisses kam auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) nach Mülheim-Kärlich. Die Anti-Atomkraft-Initiative "Ausgestrahlt" mahnte, der Turm sei zwar verschwunden, der Rückbau dauere aber noch lange. Und der sei trotz der kurzen Laufzeit des Werkes teuer. "Eigentlich hätte man den Kühlturm als Mahnmal für den teuren Irrweg der Atomenergie-Nutzung stehen lassen sollen."

RWE baut das Kraftwerk seit 2004 zurück, insgesamt wird das rund eine Milliarde Euro kosten und wohl noch ein ganzes Jahrzehnt dauern. Verantwortlich für die nach August 1987 nur kurze 13-monatige Laufzeit war eine Verfügung des Bundesverwaltungsgerichts, die die Abschaltung zur Folge hatte. Grob gesagt ging es um die Gefahr einer unterirdischen Verwerfungslinie - einer Bruchstelle im Gestein -, die nicht ausreichend berücksichtigt worden war. Offiziell hieß es in der Begründung: Eine Teilgenehmigung des Kraftwerks ist wegen eines Verfahrensfehlers nicht rechtskräftig. Es folgte ein langer Rechtsstreit, der im Jahr 2000 mit dem Beschluss der rot-grünen Bundesregierung zum Ausstieg aus der Kernenergie hinfällig wurde.

Auch an anderen Orten in Deutschland werden AKWs zurückgebaut, Beispiele sind Neckarwestheim bei Heilbronn, Isar I in Essenbach nahe Landshut, das AKW Unterweser nahe Bremerhaven, das im niedersächsischen Stade oder die einst ebenfalls von RWE betriebenen AKWs in Lingen im Emsland sowie im südhessischen Biblis. Bereits bis zur grünen Wiese zurückgebaut sind etwa die Kraftwerke Großwelzheim und Kahl in Unterfranken./chs/DP/jha