BRISTOL (dpa-AFX) - Der britische Triebwerkshersteller Rolls-Royce könnte infolge der Krise beim Flugzeugbauer Boeing doch bei dessen geplantem mittelgroßen Passagierjet mitmischen. "Wenn Boeing seine Zeitplanung verändert, können wir die Lage neu einschätzen", sagte Rolls-Royce-Chef Warren East am Donnerstag bei der Hauptversammlung des Konzerns in Bristol.

Der britische Konzern hatte sich erst Ende Februar aus dem Rennen um den Antrieb für Boeings New Midsize Aircraft (NMA) zurückgezogen. Die neue Technik werde nicht wie von Boeing verlangt bis zum Jahr 2025 fertig sein, hatte Rolls-Royce die Entscheidung begründet. Boeing denkt schon länger über den Bau eines mittelgroßen Flugzeugs nach, das die Lücke zwischen den Mittelstreckenjets der 737-Max-Reihe und den Langstreckenjets wie dem "Dreamliner" füllen soll. Der US-Konzern hat noch nicht entschieden, ob er diesen Jet tatsächlich baut, der inoffiziell bereits unter dem Namen Boeing 797 gehandelt wird.

Inzwischen hat Boeing jedoch ganz andere Probleme. Nach dem Absturz zweier 737-Max-Jets mit insgesamt 346 Toten haben Luftfahrtbehörden in aller Welt Flugverbote für die Maschinen des Typs verhängt. Als eine der Unfallursachen gilt vorläufigen Gutachten zufolge die Cockpit-Software MCAS. Boeing hat zwar ein Update entwickelt, doch die Behörden wollen dieses noch mehrere Monate lang testen. Die Auslieferung neuer Maschinen der 737-Max-Reihe ist seit März gestoppt. Der weltgrößte Flugzeugbauer hat die Produktion seines meistgefragten Modells daher bereits deutlich gedrosselt.

Ob Boeing in dieser Situation tatsächlich die Entwicklung des neuen Flugzeugtyps anschiebt, wird von einigen Analysten bezweifelt. Auch das Bündnis aus der United-Technologies-Tochter Pratt & Whitney und dem Münchner Triebwerksbauer MTU macht sich bisher Hoffnung, die Antriebe für den Flieger liefern zu dürfen. Dazu wollen sie von dem Getriebefan-Antrieb, der etwa den Airbus-Mittelstreckenjet A320neo antreibt, eine deutlich größere Version entwickeln./stw/he